Nachdem aufgrund der Corona-Krise schnell klar wurde, dass ich Mitte März nicht von Innsbruck nach Frankfurt aufbrechen konnte, war ich umso überraschter, als die 82. Jahrestagung des VHB beschloss: Wir gehen digital. Innerhalb von wenigen Tagen würde die Konferenz vom Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main von 17. bis 20. März 2020 in den virtuellen Raum verlegt - mit mehr als 700 BesucherInnen,179 Sessions, Panels, Symposien und Workshops mit etwa 300 Vorträgen.
Präsentieren & Diskutieren im Virtuellen
Ich durfte bei der diesjährigen Jahrestagung zwei Forschungsarbeiten präsentieren, die sich um den Einfluss und die Agency von non-human actors im Bereich Organisation drehen: eine Forschungsidee, die sich aus eine Actor-Network Perspektive mit Schnee als zentraler Akteur im Wintertourismus beschäftigt, sowie ein Work-in-Progress Paper, in dem es um den Hashtag #wirsindmehr sowie die damit verbundene Organisationsfähigkeit im Digitalen geht. Wie hat das ganze funktioniert? Die jeweiligen Vortragenden der Session konnten per Video-Konferenz ihre Forschung präsentieren sowie diskutieren. BesucherInnen der Konferenz waren via Live-Stream bei den Vorträgen dabei. Über die Konferenz-App konnte man anschließend Fragen per Chat diskutieren, Tipps und Verbesserungsvorschläge geben und sich mit den Vortragenden ausgetauschen. Das ganze war sehr einfach in der Handhabung, aus der Perspektive der Vortragenden und der BesucherInnen. Sogar die Technik spielte (bis auf wenige Ausnahmen) problemlos mit.
Digitale Transformation in Betrieben
Passend zum Tagesmotto fanden auch im Rahmen des Digital Day Roundtable-Diskussionen zum Thema Digitale Transformation statt. In Zeiten des fehlenden analogen Kontakts gewinnen diese Themen noch mehr an Stellenwert. Die Hauptursache für langsame oder nicht-zielgerichtete Digitalisierung kann man hierbei oft nicht den technischen Anforderungen in die Schuhe schieben. In Betrieben, egal welcher Größe oder in welcher Branche, beschränkt sich der digitale Wandel oftmals auf eine strukturelle, technologische Ebene. Neue Datenbanken werden integriert, Kommunikationssysteme digitalisiert oder die Produktionskette automatisiert. Obwohl dies alles entscheidende Schritte für die Steigerung der Wertschöpfung und der Prozessoptimierung in Betrieben sind, fehlt zwei entscheidende Faktoren für die tatsächliche, gelebte Digitalisierung: Unternehmenskultur und -vision. Nur 27% aller Investition in Familienunternehmen gehen dabei Richtung Kulturwandel. Der wesentlich größerer Teil hingegen fließt in IT-Systeme im digitalen Bereich.
Wie wollen wir in 20 Jahren arbeiten? Wo will mein Betrieb hin - auch im Digitalen? Nach dem Motto "Structure follows Strategy" wurde diskutiert, was denn in der Digitalisierung zuerst kommt: "Technology follows Culture" oder "Culture follows Technology"? Entscheidend für den erfolgreichen Wandel ist hierbei die Innovationskraft der UnternehmerInnen - und eine Bereitschaft, zu scheitern. Digitale Innovation in bestehenden, funktionierenden Strukturen einzubetten scheitert oft am fehlenden Raum für Kreativität. Für diesen grundlegenden Änderungen braucht es umso mehr eine Führungskultur, die Gestaltungsfreiheit und Mut zu unkonventionellen Ideen fördert. Aufgabe der Wissenschaft, und damit der Theorie, ist es hier, die Rahmenbedingungen und Faktoren rund um eine umfassende technologische und kulturelle Digitalisierung zu verstehen und damit den Weg der Praxis in diesem komplexen Feld zu unterstützen.
Mehr spannende Fakten und Gedankenspiele gibt es in der gesamten Roundtable-Diskussion "Digitale Transformation" hier:
Fazit
Was so eine digitale Konferenz natürlich nicht ersetzen kann, ist das persönliche Kennenlernen, das Netzwerken vor Ort und natürlich die Eindrücke, die man auf so einer Konferenzreise auch von anderen Universitäten sammelt. Die spannenden Vorträge und Diskussionen und der wissenschaftlichen Austausch blieben aber im Virtuellen bestehen. Als Start in die digital geprägte Arbeitswelt in Corona-Zeiten, war die 82. Jahrestagung des VHB ein mehr als gelungener Einstieg.
Titelbild: Photo by Marvin Meyer on Unsplash
Monica Nadegger MA
Nach dem Bachelorstudium „Journalismus und PR“ an der FH Joanneum in Graz und dem Master in „Sport-, Kultur- und Veranstaltungsmanagement“ an der FH Kufstein startete Monica Nadegger Ende 2018 am MCI Tourismus und zeitgleich das PhD Studium Management an der Universität Innsbruck. Nach knapp 4 Jahren im Online-Marketing beim TVB Innsbruck als Leiterin des Blog-Redaktionsteams und Social Media Manager und als Mitglied des Doktoratskollegs „Organizing the Digital“ vereint sie am TTR ihr Interesse für Wissenschaft, Tourismus und digitale Kommunikation.
„Als Wissenschaftsplattform für den Tiroler Tourismus schafft ttr.tirol nicht nur eine Schnittstelle für Wissenschaft und Praxis, sondern versucht, Daten und Inhalte aufzubereiten und verständlich und ansprechend darzustellen."
Im TTR Team seit: Anfang 2018
Zuständig für: Content Strategie und Produktion, Website, Social Media
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