TTR: Wieso ist das Thema für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant?
Carolina Federle: Die Hotelindustrie ist ein zentraler Bestandteil der Tiroler Tourismuswirtschaft und die Mitarbeiter:innen wiederum ein zentraler Bestandteil des Gästeerlebnisses. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ist es wichtig zu verstehen, wie Arbeitgeber:innen ihren Mitarbeiter:innen zur Seite stehen können.
TTR: Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit und welche Bedeutung haben diese für touristische Destinationen und Betriebe?
Carolina Federle: Die Ergebnisse der Arbeit haben gezeigt, dass die emotionale Arbeit, die die Rezeptionist:innen täglich erfahren, stark von dem Verhalten der Kund:innen sowie der Unterstützung des Betriebes beeinflusst wird. Für den Umgang mit emotionaler Arbeit kann in drei Strategien unterschieden werden. Man kann entweder die natürlichen Gefühle zulassen (Naturally Felt Emotions), versuchen, den Gast nachzuvollziehen (Deep Acting), oder die eigenen Gefühle unterdrücken (Surface Acting). Meistens werden zwei dieser Strategien miteinander kombiniert, es gab aber auch Teilnehmer:innen die nur eine der Strategien bzw. alle drei angewendet haben. Des Weiteren wandten die Rezeptionist:innen Coping-Mechanismen wie soziale Unterstützung und Sport an, um mit den Folgen der emotionalen Arbeit, vor allem nach Arbeitsschluss, umzugehen.
Häufig fehlt es an Bewusstsein für die Auswirkungen von emotionaler Arbeit, insbesondere auf Arbeitgeberseite, was die Belastung weiter erhöht. Dies führt oft zu Unzufriedenheit und häufigen Kündigungen, insbesondere wenn Mitarbeiter:innen mangelnde Wertschätzung, unrealistische Erwartungen oder eine zu hohe Arbeitsbelastung empfinden. Daher können Maßnahmen des Betriebes helfen, die Auswirkungen emotionaler Arbeit zu mindern, denn grundsätzlich hatten die meisten Partizipant:innen eine positive Einstellung zur Arbeit an der Hotel-Rezeption.
TTR: Welche konkreten Handlungsempfehlungen geben Sie in Ihrer Masterarbeit?
Carolina Federle: Um Mitarbeiter:innen bei der Bewältigung von emotionaler Arbeit zu unterstützen, wurde ein dreistufiges Modell konzipiert, das auf der Conservation of Resources (COR)-Theorie basiert. Diese Theorie besagt, dass Menschen kognitive Ressourcenverluste minimieren und in stressfreien Zeiten Ressourcen aufbauen möchten, um Wohlbefinden zu erreichen.
Level 1: Minimierung von Ressourcenverlusten mit dem Ziel, den Mitarbeiter:innen Sicherheit im Umgang mit Kundenproblemen zu geben.
Maßnahmen:
- Strukturierte Einarbeitung mit erfahrenen Kolleg:innen, technisches Training und Einführung ins Team und die Organisation.
- Sicherstellung, dass Führungskräfte emotional intelligent und teamkompatibel sind, idealerweise Aufteilung der Verantwortung bei großen Teams.
- Einführung von Verhaltensrichtlinien, die flexibel sind und Lösungen für typische Gästesituationen vorschlagen, ohne strikte Regeln vorzugeben.
Level 2: Wiederherstellung von Ressourcen, mit dem Ziel, Unterstützungssysteme zu etablieren, um emotionalen Stress zu reduzieren.
Maßnahmen:
- Teambuilding-Events: z.B. zweimal pro Saison, um die Teamdynamik zu stärken.
- Regelmäßige Meetings: informelle Treffen (z.B. wöchentlich/14-täglich) innerhalb der Schicht in lockerer Atmosphäre oder formelle Meetings mit Supervisor:innen, um Herausforderungen und Kundenbeschwerden zu besprechen.
- Individuelle Feedbackgespräche mit der Führungskraft zur Besprechung emotionaler Belastungen und möglicher Anpassungen (z. B. Backoffice-Einsätze).
- Wechsel zwischen Abteilungen, z. B. teilweise Arbeit im Service, um Abwechslung und Erholung zu ermöglichen.
Level 3: Aufbau eines Ressourcenüberschusses mit dem Ziel, Wohlbefinden und positiven Stress (Eustress) zu schaffen.
Maßnahmen:
- Emotionstraining durch externe Expert:innen, um emotionale Intelligenz und Verhaltensmuster besser zu verstehen.
- Rollenspiele, um den Umgang mit schwierigen Kund:innen zu üben und mehr Selbstvertrauen zu entwickeln.
Natürlich sind diese Maßnahmen mit Aufwand und Kosten verbunden, weswegen empfohlen wird, Level 1 sicherzustellen und anschließend nach Möglichkeit darauf aufzubauen. Die Maßnahmen wirken sehr simpel, allerdings waren selbst diese in den Betrieben, in denen die Partizipant:innen gearbeitet haben, oft nicht gegeben.
Carolina Federle, MA
Carolina Federle kommt ursprünglich aus Augsburg in Deutschland und hat einen Bachelorabschluss in Tourismus-, Sport- & Eventmanagement der Freien Universität Bozen. Im September 2024 beendete sie ihren Master am MCI in Marketing Management & Tourism. Carolina hat bereits Berufserfahrung im Marketing durch ihre Arbeit in einer Therme und einem Autohaus gesammelt.
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Masterarbeit Betreuung: Assoz. FH-Prof. MMag. Raphaela Stadler, PhD
Titelbild: Tirol Werbung (TVB Osttirol, Moritz Klee)
Datum: 17.12.2024