Das große Buhlen um Gäste hat begonnen. Nachdem in Österreich die Gastronomie Mitte Mai sowie die Hotellerie Ende Mai wieder aufgesperrt hat, die Grenzen zumindest teilweise wieder geöffnet wurden, ist die Zuversicht unter den TouristikerInnen wieder etwas besser. Trotzdem bleibt die Situation schwierig. Bei einer unsicheren Planungslage müssen Tourismusregionen und Betriebe weiterhin sehr flexibel sein. Wir wollen uns in diesem Beitrag anschauen, wie unterschiedliche Regionen derzeit um Gäste aus dem In- und Ausland werben.
Was tut sich auf nationaler Ebene?
Starten wir zuerst auf der nationalen Ebene. Österreich will sich im Sommer 2020 als Reiseziel mit höchsten Sicherheitsstandards präsentieren. Die aktuelle ÖW-Inlandskampagne trägt den Titel „Auf dich wartet ein guter Sommer“. Nach dem Lockdown sollen ÖstereicherInnen für die Natur- und Kulturerlebnisse im eigenen Land begeistert werden. Seit Mitte Juni wird die Kampagne auch in der Schweiz, in Tscheschien und den Niederlanden ausgerollt. Zudem wurde mit der Grenzöffnung zu einigen europäischen Ländern auch die marktübergreifende Kampagne "Travel Builds Bridges" gestartet. Unter dem Motto "Wir freuen uns auf dich" werden ÖsterreicherInnen in Szene gesetzt, die auf berühmten Brücken und Plätzen im jeweiligen Land stehen und für einen Österreich-Urlaub begeistern. Die Social Media Kampagne läuft bisher in Ungarn, Tschechien, Rumänien, Belgien und der Slowakei, Polen folgt Ende Juni. Zudem wirbt die ÖW gemeinsam mit der ÖBB um den Inlandsgast sowie um eine nachhaltigere Anreise.
Was geschieht in Tirol?
Auch hier hat man vom Quarantäne- in den Normalisierungsmodus umgeschalten. In der Akutphase versorgte die Tirol Werbung Einheimische, Gäste und Branche mit aktuellen und objektiven Informationen. Alleine auf der Webseite tirol.at führte das zu zwei Millionen Zugriffen. In der zweiten Phase standen unter dem Hashtag #mitabstandnah emotionale Botschaften im Vordergrund, um mit Einheimischen und Gästen verbunden zu bleiben. Ein Höhepunkt war dabei das Lied „I möcht mi nur bedanken“ von Manu Stix, das die Tirol Werbung gemeinsam mit 18 Tiroler KünstlerInnen produzierte und über Facebook, Youtube & Co. verbreitete. Dieses Musikstück erreichte rund eine Million Menschen. Anfang Mai startete die Kampagne "Es geht bergauf", welche vorerst im Inlandsmarkt ausgerollt wurde. Dabei setzt mal auf die zwei Säulen Natur & Berg. Inzwischen wurde diese auch in anderen Märkten gelauncht.
Aber auch die Tiroler Destinationen rüsteten sich schon sehr früh für den heuer verspäteten Sommerstart. Als erste kündigen die drei Tiroler Regionen Serfaus-Fiss-Ladis, St. Anton am Arlberg & Paznaun-Ischgl bereits Ende April an, dass sie am 4. Juli aufsperren wollen. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass St. Anton am Arlberg und Paznaun-Ischgl da gerade erst aus der Quarantäne entlassen wurden. Damit wollten die Regionen in Zeiten großer Unsicherheit ihre Vermieterinnen ein starkes Statement setzen. Auf starke Werte und Emotionen setzte das Stubai mit seiner Kampagne "Bis bald im Stubaital".
Der Achensee verbreitete Vorfreude auf ein Wiedersehen und bewirbt das Tiroler Meer: "Achensee, ein Urlaub wie damals, zurück zur Sommerfrische". Mit dem Berg wirbt vor allem Osttirol. Unter dem Motto “Bergliebe Osttirol” setzt die Region auf Authentizität, Ursprünglichkeit, Echtheit und Reduziertheit. Ebenso mit Authentizität punkten will das Alpbachtal. Innsbruck Tourismus wirbt mit der Verbindung von urbanen und alpinem Raum, um interpretiert damit Stadturlaub neu. Über die Anpassungen von Innsbruck Tourismus an die Corona-Krise sprach Stefan Kröll in der Tourismusstimme der Woche mit Geschäftsführerin Karin Seiler.
Aber auch neue Angebote stehen in den Startlöchern. So bietet Imst Tourismus Genussradlern und ambitionierten Bikern drei neuen Radrunden an. "Urlaub bei uns dahoam" bewirbt die Silberregion Karwendel und versucht damit den heimischen Markt zu stärken. Ab fünf Übernachtungen bekommt der Gast die An- und Abreise mit den ÖBB in der 2. Klassen von allen Bahnhöfen Österreichs. Die Region Wilder Kaiser setzt auf sichere Mobilität mit Abstand und verdoppelt ihr Busangebot. "Helferlein" beraten zudem Fahrgäste in Sachen "Masken-Pfliche und aktueller Corona-Fragestellungen. Im Pillerseetal machen gleich mehrere neue Initiativen auf sich aufmerksam. Der Steinbergkönig ist ein interaktives Familien-Abenteur, welches Online- und Offline-Welt miteinander verbindet. An verschiedenen Rätsel-Stationen im Escape-Room-Stil müssen im gesamten Pillerseetal Machtwörter entziffert werden, um den Steinbergkönig zu besiegen. Die Bergbahnen Fieberbrunn im Pillerseetal machen zudem mit Regenbogen-Gondeln am World Pride Day auf sich aufmerksam.
Um den einheimischen Markt bzw. besonders um TirolerInnen und VorarlbergerInnen werben die vier Verbände des Außerfern zum ersten Mal gemeinschaftlich. Mit der Kampagne "Alles. Außer fern" wollen das Tannheimer Tal, das Lechtal, die Naturparkregion Reutte und die Tiroler Zugspitz Arena die eigenen Bevölkerung auf die Vorzüge der Region aufmerksam machen. Mit der Aktion 1001 Nacht macht die Region Kitzbühler Alpen-St. Johann auf sich aufmerksam. Damit möchte sich die Destination bei jenen Menschen bedanken, die in der Krise besonders gefordert waren. Um ein Zeichen der Dankbarkeit zu setzen, werden für die “Helden des Alltags” 1001 Übernachtungen in der Region verschenkt. Die Olympiaregion Seefeld machte Ende April mit der #cleanupplateau challenge auf sich aufmerksam. Dabei sammelten 203 TeilnehmerInnen insgesamt über 2 Tonnen Müll ein. In Kitzbühel wurde ein dreistufiger Kommunikationsplan entwickelt. In der ersten Phase warb man mit der #vorfreude. In der zweiten Phase folgte die konkrete Angebotsbewerbung, indem man den Begriff der Sommerfrische wieder neu aufleben ließ. Zusätzliche wurde die Portraitserie #localheroes gestartet, um besondere Menschen aus der Region ins Rampenlicht zu rücken. Die Destination präsentiert sich unter Geschäftsführerin Viktoria Veider-Walser schon seit längerem als Ganzjahresdestination mit Charme. So entstand auch der neue Imagefilm Kitzbühel 365. Die Saison verlängern will man in Mayrhofen, wo man auf starke Herbstferien hofft. Angelehnt an den starken Herbst in Südtiroler präsentiert man hier ein Konzept für den„Zillertaler Bergherbst”. Der Mobilitätsplan wurde hingegen auf Eis gelegt und die neue wasserstoffbetriebene Zillertalbahn dieses Jahr nicht beschlossen.
Fast alle Destinationen zeigen derzeit Flexibilität bei der Buchung. Paznaun-Ischgl bietet provisionsfreie Direktbuchungen und setzen auf das Thema Sicherheit im Netz. Zudem arbeitet man nun mit dem Hashtag #loveischgl. Von der Umbuchungsgarantie am Wilden Kaiser ab Ende März hatten wir bereits berichtet. Auch das Ötztal setzt auf flexibles Buchen mit kostenloser Storno- und Umbuchungsmöglichkeit sowie dem Entfall einer Anzahlung. Kostenfreie Stornomöglichkeiten gibt es ebenso im Zillertal oder den Kitzbüheler Alpen - Brixental. Das PillerseeTal präsentiert sich unter dem Motto “1 Region, 5 gute Gründe” für einen Sommerurlaub ohne Bedenken.
Doch wie sieht es in anderen Tourismusdestinationen außerhalb Tirols aus?
Auffallend stark war in den letzten Wochen der Auftritt des Salzburger Landes. Die Kampagne "Das erste Mal wieder" wird über TV, Radio und soziale Medien ausgerollt und zielt auf Buchungen ab. So soll den Betrieben Mut gemacht werden in dieser herausfordernden Zeit. Auch der Flughafen Salzburg starteten am 6. Mai 2020 erstmals wieder Linienflüge, allerdings noch mit sehr wenigen Passagieren. Die Salzburger Sportwelt machte mit dem Slogan "Endlich zurück in die Berge" auf sich aufmerksam. Saalbach Hinterglemm, Saalfelden Leogang und Fieberbrunn bündeln nun auch im Sommer ihre Kräfte und werden zu Österreichs größter Bike-Region. Sie inkludiert über 70 Kilometer Single-Trails, Downhill-Tracks und Flow-Lines und neun Bergbahnen, die alle über ein einziges Biketicket genutzt werden können.
Während Oberösterreich Tourismus weiter auf den Trendsport Radfahren setzt, wird auch in Niederösterreich die Sommerfrische belebt. Zudem werden im Erlebniszug Ötscherbär der Mariazellerbahn sowie in der Waldviertelbahn Bücherkisten mitfahren, welche von den öffentlichen Bibliotheken in Niederösterreich zur Verfügung gestellt werden. Kulturelle sowie kulinarische Genüsse verbindet das Projekt “Kultur beim Winzer”. “Kultur über Wasser” findet der Gast hingegen in Kärnten. Dieses kreative Eventkonzept löst die Corona-gemäßen Abstandsregeln, indem das Publikum KünstlerInnen am Wörthersee auf Booten, Surfbrettern oder Luftmatratzen lauschen kann. In Vorarlberg fand hingegen das 1. Online Strandbar Opening statt. Unter dem Motto "Ich kam. Ich sah. Vorarlberg" sowie dem Hastag #venividivorarlberg bietet der westliche Nachbar diesen Sommer das etwas andere Österreich. Mit den Themen Natur, Bewegung & Wasser, Kultur und kulinarischer Genuss geht die Steiermark diesen Sommer ins Rennen und präsentiert die Kampagne “Entdecke die Steiermark“ mit dem Imagefilm #ichbinsteiermark. Bereits im Feber wurde zudem gemeinsam mit Urlaub am Bauernhof das “kuhle” Video gelauncht: Wir geben alles für unsere Kühe. Das grüne Herz Österreichs steht ja im Bundesländer-Ranking bei den Einheimischen an erster Stelle.
In Südtirol bewirbt man diesen Sommer mit dem Slogan #alleswaswirlieben und ruft dazu auf, die kleinen Dinge wieder zu schätzen. Die “Re-Start Südtirol” Kampagne von IDM Südtirol gemeinsam mit Vertretern der lokalen Wirtschaft deckt dabei nicht nur den Tourismussektor und den Agrarsektor ab. Die Schweiz fiel zu Beginn der Krise mit dem beleuchteten Matterhorn sowie der #dreamnowtravellater auf. Diese Zeit der Empathie sei nun aber vorbei. Vielmehr wollen und dürfen Menschen jetzt wieder zum Reisen eingeladen werden. Daher lancierte Schweiz Tourismus Anfang Juni die Recovery-Kampagne “Wir brauchen Schweiz”, welche nicht nur auf einheimische, sondern auch auf europäische Gäste abzielt. Die Kampagne mit dem Hashtag #IneedSwitzerland ist global und mehrjährig angelegt. Zudem startet man das neue Projekt "Million Stars Hotel", bei welchem quer durch die Schweiz 55 Zimmer unter freiem Zimmer lanciert wurden.
In Deutschland steht besonders der Heimaturlaub an erster Stelle. Immerhin machen die Einheimischen 80% des Nächtigungsaufkommens aus. Damit ist es logisch, dass man auch hier für Heimurlaub wirbt. Gemeinsam starteten die Deutschen Bahn und die Marketingorganisationen der 16 Bundesländer die Kampagne “Deutschland neu entdecken”. Sie zeigt auf den ersten Blick Sehnsuchtsziele vieler Deutscher, die Motive sind aber ausschließlich Reiseziele in Deutschland. So will man Lust auf einen Inlandsurlaub machen, Kräfte bündeln und knappe Ressourcen zielgerichtet einsetzen. Unter dem Titel „I ♥︎ Bayerischer Wald“ wirbt der Tourismusverband Ostbayern für einen Sommerurlaub. Die Kernkompetenzen der Region werden in die Schlagwörter "Lieblingsplatz", "Waldgeflüster" und "Familiensommer" verpackt. Schwarzwald Tourismus wirbt mit der kooperativen Kampagne "Kuck Kuck" um alte und neue Gäste und stellt dabei das Hauptmotiv der Schwarzwälder Kuckucksuhr in den Vordergrund.
Und welche anderen Marketinginitiativen gibt es sonst noch?
1 Minute Urlaub für deinen Kopf bietet ein neues Portal. Die Idee dahinter ist, sich selbst eine Minute Entspannung zu gönnen oder eine Minute Urlaub an Freunde zu verschenken, um neue Plätze im Kopfkino zu entdecken, vom Urlaub zu Träumen und sich inspirieren zu lassen. Die Plattform myplatzerl.at ist eine Initiative von zwei jungen SalzburgerInnen. Ziel ist es, heimische Betriebe in den Vordergrund zu stellen, mehr Wertschöpfung für Hoteliers und Vermieter zu erzielen und Fairness & Transparenz zu bieten. Die Seite funktioniert über ein Abo-Model ohne Provisionen. Viel Platz, genügend Abstand und Natur pur verspricht der neue Almhüttenkatalog von Urlaub am Bauernhof. Und auch die Naturfreunde Österreich werben für einen Urlaub in der Heimat: Warum in die Ferne schweifen? lautet der Slogan für einen Sommerurlaub in Österreich. Der Fernsehsender ServusTV wirbt mit Dokumentationen über verschiedenste österreichische Schätz für die Entdeckung der Heimat. Und Marcel Hirscher feierte im Mai sein Debüt als ORF-Moderator der Sendung "Ein Sommer in Österreich – Urlaub in Rot-Weiß-Rot".
Dass die Ausgangssituation aber auch für Verbände nicht einfach ist, zeigt ein Interview mit dem Obmann des TVB Stubai. Der Verband rechnet derzeit mit budgetären Ausfällen von 50%. Die wichtigsten Themen für diesen Sommer ist einmal der verstärkte Fokus auf Hygiene und Sicherheit. Die Wirtschaftskammer informiert auf der Seite Sichere Gastfreundschaft zu diesen Themen. Zudem gibt es das ÖW Dashboard un die interaktive EU-Plattform Re-open EU, welche Updates über Reise-Auflagen und Beschränkungen zur Verfügung stellen. Zweitere ist auch als Informationsseite für Gäste angedacht und in 24 Sprachen verfügbar. Zudem wird von UnternehmerInnen diesen Sommer einmal mehr Flexibilität, schnelle Anpassungsfähigkeit und kreative Problemlösung gefragt sein. Es wird auf alle Fälle ein spannender Sommer werden, in dem sich sowohl Gäste, als auch TouristikerInnen auf neue Rahmenbedingungen einlassen müssen.
Dr. Birgit Bosio
Birgit Bosio hat den ersten Diplomjahrgang des MCI Tourismus absolviert und anschließend zwei Jahre in der Marktforschung der Tiroler Werbung gearbeitet. Gemeinsam mit Hubert Siller (MCI) und Michael Brandl (ehemals TW) zeichnet sie für die Entstehung des TTR verantwortlich. 2016 hat sie an der Universität Salzburg promoviert.
“Die Arbeit mit dem TTR ist spannend, da man sich täglich mit neuen Entwicklungen & Trends beschäftigen und ständig am Ball bleiben muss. Gleichzeitig stellt es aber dauernd eine Herausforderung dar, dem Nutzer diese Informationen kundengerecht und in der richtigen Dosis interessant aufzubereiten.”
Im TTR Team seit: November 2006
Zuständig für: Strategie & Konzeption, Tourismusforschung, Content Management, Social Media