TTR: Wieso ist das Thema für die Tourismuswirtschaft Tirols relevant?
Barbara Theiner und Peter Schwazer: Die fortschreitende Evolution des Internets verändert die zwischenmenschliche Kommunikation stark und damit auch die Kommunikation zwischen dem Gast und einem touristischen Unternehmen. Die Bandbreite an Kanälen und Möglichkeiten zur Kundenansprache wächst nahezu exponentiell. Hierbei gilt es zu beachten, dass Social Media im Generellen keine kurzfristige Modeerscheinung, sondern mittlerweile fixer Bestandteil der alltäglichen Kommunikation bzw. des Marketings ist. Junge Gästegruppen und ein geändertes Informationsverhalten erfordern neue Inhalte und neue Kommunikationswege. Mit der zunehmenden Bedeutung und Popularität von Influencer ist eine eigene und mittlerweile nicht mehr weg zu denkende Marketingtechnik im Online-Marketing entstanden. Influencer Marketing eröffnet touristischen Unternehmen bzw. Tourismusorganisationen verschiedenste Möglichkeiten ihre Zielgruppen zum Zwecke der Bewerbung von Produkten, Dienstleistungen und Marken zu erreichen.
Eine genaue Kenntnis der Zielgruppe, das Verstehen ihres Inspirations- und Informationsverhaltens sowie die unternehmenszielorientierte Ausgestaltung des Marketing-Mix sind unerlässlich für einen effizienten Einsatz des touristischen Marketingbudgets. Chancen und Herausforderungen von Influencer Relations, ihr Einfluss auf Reiseentscheidungen und deren Messbarkeit spielen dabei eine gewichtige Rolle.
TTR: Mit welcher Problemstellung hat sich das Forschungsprojekt beschäftigt?
Barbara Theiner und Peter Schwazer: Das Forschungsprojekt befasst sich im Detail mit der Frage, welche Vor- und Nachteile sich durch Influencer Marketing für den Tiroler Tourismus, explizit für Tourismusverbände und für die Hotellerie, ergeben. Die Kundenwahrnehmung von Influencer dient als grundlegende Ausgangsperspektive der Untersuchung. Dabei liegt der Fokus auf der Akzeptanz und dem Rollenverständnis von Influencer beim Gast. Im Speziellen wurde untersucht, ob und wie Influencer die (Reise-)Buchungsentscheidung beeinflussen können.
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit tragen dazu bei, umfassendes Know-how zum Thema Influencer-Marketing für die Tiroler Tourismusindustrie zu liefern, Bewusstsein für neue Kommunikationswege und -chancen zu schaffen und konkrete Handlungsempfehlungen zu geben. Befragt wurden 27 der 34 Tiroler DMO's im März-April 2020 sowie 112 Tiroler Hotels im April bis Mai 2021.
TTR: Welche zentralen Kernergebnisse konnten generiert werden?
Barbara Theiner und Peter Schwazer: Wie bereits in anderen Studien erforscht, erreicht die massenmediale Kommunikation Kunden in Zeiten des Informationsüberflusses nicht mehr so wie früher. Influencer helfen dabei, Markenbotschaften aufzunehmen, zu interpretieren und gezielt weiterzugeben. Streuverluste können dadurch reduziert, sowie Reichweite und Einflussnahme gesteigert werden.
Auf Basis der empirischen Erkenntnisse können wir klar aufzeigen, dass sich Kunden im beobachteten Marktgebiet nachweislich in ihrer Buchungsentscheidung eines Hotels durch Influencer beeinflussen lassen, wenn sie diesen akzeptieren. Die angesprochene Akzeptanz eines Influencers hängt dabei im Wesentlichen von seiner Glaubwürdigkeit ab und diese wiederum von seiner Vertrauenswürdigkeit und Expertise. Der nächste wichtige Faktor ist die Authentizität. Influencer werden nur akzeptiert, wenn sie echt und authentisch sind. Doch nicht nur die Eigenschaften eines Influencers beeinflussen die Akzeptanz bei seinen Followern, sondern auch zentrale Anhaltspunkte wie die Qualität der übermittelten Informationen.
Der Einsatz von Influencer Marketing ist bei den Tiroler DMOs bereits sehr ausgeprägt. Dabei zeigt sich eine eindeutige Entwicklung in Richtung Influencer Relation - soll heißen, man sucht eine langfristig nachhaltige Zusammenarbeit und weniger eine einmalige Produkt-Bewerbung. Hauptziele für die Kooperationen mit Influencer in der Hotellerie sind das gezielte Erreichen einer spezifisch zum Hotel passenden Zielgruppe und die Vermeidung von Streuverlusten sowie die Steigerung der Bekanntheit der Marke. Instagram spielt dabei als Plattform die eindeutig wichtigste Rolle gefolgt von Facebook, YouTube und Blogs.
Eine der größten Herausforderungen für die Tourismus-Branche liegt darin, den richtigen Influencer zu finden. Bei der Auswahl der passenden Influencer für Tourismusverbände spielen qualitative Indikatoren wie übereinstimmende Zielgruppe, Brand-Fit und Authentizität des Influencers eine wichtigere Rolle als quantitative Kriterien wie Reichweite, Häufigkeit der Posts oder Engagement Rate.
Die empirischen Ergebnisse zu Chancen und Herausforderungen von Influencer Marketing decken sich in der Tiroler Hotellerie größtenteils mit den Erkenntnissen der Tiroler Tourismusverbände. Unterschiede lassen sich im noch zurückhaltenden Einsatz von Influencer in der Hotellerie feststellen. Obwohl Online- und Social Media Marketing die stärksten Marketing-Strategien in der Tiroler Hotellerie sind, werden Influencer nur sporadisch eingesetzt. Ein Grund, warum Influencer kaum als Marken-Botschafter in der Tiroler Hotellerie beauftragt werden, liegt im mangelnden Vertrauen in die neue Marketingdisziplin basierend auf fehlendem Wissen bzw. zu geringer Information. Zudem erschwert die Suche nach passenden Influencer ein erfolgreiches Etablieren der modernen Form des Empfehlungsmarketings.
TTR: Welche konkreten Handlungsempfehlung ergeben sich aus dem Projekt zum Einsatz von Influencern in der Tiroler Tourismuswirtschaft?
Barbara Theiner und Peter Schwazer: Gezielte Schulungsmaßnahmen und die Weitergabe des bereits bestehenden Know Hows der Tiroler DMOs an die Tiroler Hotellerie würden das Etablieren von Influencer Kooperationen als erfolgsversprechende Marketing-Strategie sicherlich unterstützen.
Wir konnten in unserer Studie relevante KPIs zur Performancemessung von Influencer im Tourismus finden: nebst den bereits etablierten Kennzahlen, wie Reichweite, Engagement, Click-Through-Rate sind
- Markenselektivität,
- Interaktions- und Kommentarqualität,
- Hashtag- und Tagqualität,
- Storytelling-Ratio,
- der Tourismusbezug und
- die Personality Disclosure
für die Bewertung von Influencer wichtig. Basierend auf diesem erweiterten Kennzahlenset gibt es hinsichtlich der Strategie und Auswahl von passenden Influencer jedoch Unterschiede zwischen der Hotellerie und dem Tourismusverbänden.
Die Hotellerie sollte sich dabei verstärkt auf die Nutzung von Micro- und Makro-Influencer konzentrieren, unabhängig von Markenselektion, Personality Disclosure und Ausrichtung des Influencers. DMOs hingegen sollten stärker Makro- und Mega-Influencer und im speziellen relevante Reise-Influencer für Werbeaktivitäten in Betracht ziehen. Hierbei sind Kommentar- und Interaktionsqualität sowie Tag- und Hashtag-Qualität bei gleichzeitig hoher Storytelling-Quote von großer Wichtigkeit.
Das Geheimnis einer effektiven Influencer-Kooperation in der Tiroler Tourismusbranche und die damit einhergehende positive Beeinflussung der Buchungsabsichten potenzieller Gäste besteht darin, ein perfektes Gleichgewicht zwischen den Eigenschaften eines Influencers und der Qualität der übermittelten Informationen zu finden.
Zum Projekt:
Das Forschungsprojekt wurde vom Tourismusforschungszentrum Tirol finanziell unterstützt und war auf die Dauer von zwei Jahren ausgelegt. Das Projekt-Team bestand aus Hubert Siller, Dr. Barbara Theiner und Peter Schwazer.
Dr. Barbara Theiner
Dr. Barbara Theiner ist langjährige Unternehmensberaterin für strategische Konzeptentwicklungen in der Tourismusbranche sowie Hochschuldozentin und Modulverantwortliche für Tourismus Marketing am MCI Tourismus. Ihr Marketing-Know How und Expertise gibt Frau Dr. Theiner auch in diversen Keynote Vorträgen und Unternehmer-Seminaren weiter.
Peter Schwazer ist Vice President E-Commerce bei der CURA COSMETICS Group. Er ist seit über 10 Jahren in den Bereichen Marktforschung, Marketing, Analytik und Statistik tätig. Herr Schwazer unterrichtet als externer Lehrbeauftragter Marketing-Kurse am MCI und hat einen Online-Kurs über Influencer Marketing entwickelt, der in der Executive Education des MCI angeboten wird. Vor seiner Anstellung bei der CCG war er als Professor für Digitales Marketing & Analytics am MCI tätig.
Titelbild von Mateus Campos Felipe auf Unsplash.
Datum: 06.07.2022