TTR: Was bedeutet datenbasiertes CRM und inwiefern ist es relevant für Tiroler DMOs?
Melanie Scheiber: Die sinkende Zahl der Stammgäste und die steigende Angebotskonformität, stellen das Destinationsmarketing vor neue Herausforderungen. Diesen Entwicklungen könnte die Etablierung eines Kundenbeziehungsmanagements (CRM) gegenwirken. Durch die intelligente Interpretation von Kundeninformationen, können DMOs die Wettbewerbsfähigkeit von Destinationen steigern. Dazu werden Kundendaten gesammelt und zur Aufrechterhaltung der Gästebeziehung verwendet, weshalb ein datenbasiertes CRM eine reiche Datenbank erfordert. Die Datengenerierung erfolgt durch die Ansprache des Zielmarkts und dessen Stimulierung zum Dialog. Erst eine Einwilligung zur Verarbeitung der persönlichen Informationen für Marketingzwecke (Marketing Permission) erlaubt die Erstellung eines Kundenprofils. Angelehnt an das Kundenprofil erhält die jeweilige Person personalisierte Inhalte und Angebote, wodurch Querverkäufe und Wiederverkäufe gelingen. Dieses Erfolgsrezept wird beispielsweise in der Autoindustrie, im Airline Business oder von großen Hotelketten längst angewendet. Die historisch-kleinstrukturierten Einzel- und Familienunternehmen im Tiroler Tourismus erfüllen die Anforderungen zur Führung eines CRM jedoch nicht. Daher liegt es in der Verantwortung und Kompetenz der DMOs, ein CRM zur Bindung neuer und bestehender Gäste an die Destination zu etablieren. Seine Relevanz wird vor allem in der aktuellen Krise deutlich, denn gerade in Tirol würde man aufgrund der hohen Abhängigkeit vom Tourismus von resistenten Gästebeziehungen profitieren.
TTR: Welche Erkenntnisse in Bezug auf Datengenerierung im sozialen Austausch konnten Sie in Ihrer Arbeit gewinnen und welche Bedeutung haben diese für touristische Destinationen?
Melanie Scheiber: Ausgehend von den Grundsätzen der sozialen Austauschtheorie, sind Kunden bzw. Kundinnen bereit ihre persönlichen Daten zu übermitteln, wenn eine Gegenleistung angeboten wird. Damit der Aufbau einer Datenbasis für das CRM gelingt, sollten DMOs eine vorteilhafte Austauschbeziehung mit den Gästen der Destination anstreben. Als beliebte Inspirationsquelle für Gäste und zentrale Koordinationseinheit der Destination, ist die DMO in der idealen Position zur Generierung von Kundendaten. Durch die Nutzung von Netzwerkeffekten (Abb. 1), können DMOs eine Destinationsdatenbank etablieren, indem Partner wie zum Beispiel Unterkünfte oder Bergbahnen auf die Vorteile einer Registrierung in den Portalen der DMO verweisen. Zudem ist die Ausarbeitung einer Strategie, eines Konzepts und einer Methodik entscheidend für den Erfolg der Datengenerierung.
Bei der Gestaltung einer Gegenleistung für die Datenübermittlung hat eine DMO viele Möglichkeiten, jedoch geht aus meiner Masterarbeit heraus, dass sich insbesondere psychologische und funktionale Nutzen zur Stimulierung des Dialogwunsches eignen. Zum Beispiel würden Gäste vor allem für den Zugang zu Informationen (z.B. exklusive Wandertipps), Informationssystemen (z.B. ein digitaler Reiseführer) oder Buchungssystemen (z.B. Buchungssystem für Erlebnisse) ihre Daten überlassen. Auch wenn sich der Zeitpunkt vor der Reise am besten für die Datengenerierung eignet, sollten DMOs unbedingt alle Potenziale entlang der Customer Journey nutzen (Abb. 2). Dabei sind die notwendigsten Daten des Kundenprofils, wie etwa die E-Mail-Adresse, der Name, die Urlaubsinteressen und die Marketing Permission zu generieren. Damit beide Parteien die Austauschbeziehung als vorteilhaft bewerten, sollten DMOs nur wenige Daten abfragen und auf ein Kostenlimit bei der Gestaltung des Kundennutzens achten.
TTR: Welche konkreten Handlungsempfehlungen für DMOs geben Sie in Ihrer Masterarbeit?
Melanie Scheiber: Zur Überzeugung ihrer wichtigsten strategischen Partner, können DMOs ihre Stärken im Stakeholder-Management nutzen und sie zur Unterstützung des CRM Projekts motivieren. Die gemeinsame Beantwortung von strategischen, konzeptionellen und methodischen Fragen, legt den Grundstein für eine gute Zusammenarbeit. Als Kristallisationspunkt für psychologische und funktionale Kundennutzen, könnte ein digitaler Destinations-Login funktionieren. Durch eine Registrierung mit dem Namen und der E-Mail-Adresse erhalten Gäste Zugang zu speziellen Inhalten wie exklusive Touren und Routen, Echtzeitinformationen zu Auslastungen, Ereignissen und Veranstaltungen, Reiseplanungstools sowie ein Buchungssystem für Unterkünfte, Erlebnisangebote oder Restaurantplätze. Einen Ansporn zur Erteilung der Marketing Permission gibt die Personalisierungsmöglichkeit der Inhalte. Das Urlaubsinteresse kann durch das Klickverhalten auf der Webseite oder in der App passiv ermittelt werden. Die gesamten Projektkosten der Entwicklung eines Destinations-Logins sind auf ein Jahr abzuschreiben und mit alternativen Werbemaßnahmen (z.B. über Facebook) zu vergleichen. Solange sich die Kosten im selben oder günstigeren Rahmen bewegen, ist die Investition in langfristige Gästebeziehungen sicherlich die vielversprechendere Maßnahme.
Melanie Scheiber
Geboren in Umhausen, Tirol, hat Melanie Scheiber im Sommer 2020 erfolgreich den Masterstudiengang "Entrepreneurship & Tourism“ (Schwerpunkt „Marketing Management“) am MCI Tourismus abgeschlossen. Zuvor absolvierte sie ebenfalls am MCI den Bachelorstudiengang "Unternehmensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft". Vor und während ihres Studiums sammelte sie praktische Erfahrungen als Rezeptionistin, Büropraktikantin und Skilehrerin. Seit 2018 arbeitet sie für den Ötztal Tourismus in der Weiterentwicklung und Innovation.
Masterarbeit Betreuung: Dr. Birgit Bosio