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Zukunftsfähigkeit von wissenschaftlichen Kongressen

Am Beispiel der Congress Messe Innsbruck GmbH
Kongress
Für ihre Masterarbeit interviewte Dorothea Boltenhagen sowohl Teilnehmende als auch Gastgebende von verschiedenen Kongressen.

TTR: Wieso ist das Thema für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant? 

Dorothea Boltenhagen: Die weltweite COVID-19-Pandemie traf die Branche der Veranstaltungswirtschaft stark. Die Durchführung von Kongressen im virtuellen und hybriden Format hat eine neue Dimension angenommen. Während meiner Literaturrecherche zum Thema traf ich sowohl auf die Meinung, dass die Pandemie als Neustart genutzt werden sollte als auch auf die, dass es zukünftig lediglich zu einer Rückkehr zu den bekannten Formaten aus den Zeiten vor der COVID-19-Pandemie kommen werde. Da auch Tirol eine einzigartige und wichtige Destination für nationale und internationale Kongresse ist, ist eine Klärung dieser Meinungsverschiedenheit auch für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant. In der Masterarbeit untersuche ich den Wert der drei Formate,"virtuell, hybrid und präsent" anhand ihrer Vor- und Nachteile, am Beispiel der Congress und Messe Innsbruck GmbH. Daraus lässt sich ableiten, in welchem Format wissenschaftliche Kongresse zukünftig durchgeführt werden sollten. So können Tiroler Kongressorganisierende schnell und aktuell auf die neu entstandenen Anforderungen reagieren. 

TTR: Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit und welche Bedeutung haben diese für touristische Destinationen und Betriebe?

Dorothea Boltenhagen: Um ein zukunftsfähiges Kongressformat zu entwickeln, wurden alle Beteiligten eines Kongresses befragt.

Abbildung 1: Beteiligte eines Kongresses (eigene Darstellung)

In einem ersten Teil der empirischen Studie führte ich persönliche In-the-Moment-Interviews mit knapp 60 Vertretenden aus der Gruppe der Teilnehmenden durch. Hier ging es darum, die Vor- und Nachteile der drei verschiedenen Formate, virtuell, hybrid und präsent, zu erfahren. Eine negative Einstellung gegenüber der virtuellen Komponente konnte ich als eindeutiges Ergebnis feststellen.

Abbildung 2: Häufigkeit der genannten Vor- und Nachteile virtueller Kongresse (eigene Darstellung)

Auf der Grundlage der Ergebnisse aus dieser Befragung führte ich anschließend Experteninterviews mit Organisierenden und Veranstaltenden durch, um Möglichkeiten bei virtuellen und hybriden Veranstaltungen zu diskutieren. Auch hier zeigte sich eine kritische Haltung gegenüber rein virtuellen Veranstaltungen. Dies stand im Widerspruch zu Ergebnissen meiner Literaturrecherche. Hybride Veranstaltungen wurden ebenfalls skeptisch betrachtet, hauptsächlich aufgrund des hohen Aufwands und der Kosten. Das zukunftsfähigste Format ist demnach die Präsenzveranstaltung. Einzelne Bestandteile der virtuellen Komponente sollten jedoch berücksichtigt werden, um Motivationsfaktoren zugrunde liegender Motivationstheorien, (Autonomie, Kompetenz, soziale Eingebundenheit; Erwartungshaltung und Instrumentalität) bewusster unterstützen zu können. 

Von diesen Ergebnissen abgeleitete Handlungsempfehlungen liefern Ansätze, wissenschaftliche Kongresse attraktiver gestalten und Interessierte zur Teilnahme motivieren zu können. Damit können bestehende Geschäftsmodelle von Kongresshäusern überdacht werden.

TTR: Welche konkreten Handlungsempfehlungen geben Sie in Ihrer Masterarbeit?

Dorothea Boltenhagen: Meine Handlungsempfehlungen richten sich an Organisierende und Veranstaltende eines wissenschaftlichen Kongresses. Ich kann das Präsenzformat empfehlen, da eine virtuelle Komponente von Teilnehmenden nicht oder nur wenig angenommen wird - sowohl bei nationalen als auch bei internationalen wissenschaftlichen Kongressen. Allerdings sollten die Vorträge aufgezeichnet werden und im Nachgang online zur Verfügung gestellt werden. Eine Live-Übertragung ist dabei nicht nötig. Sollte es Vortragenden nicht möglich sein, vor Ort zu sein, können Online-Zuschaltungen beibehalten werden, um den Wissenstransfer zu fördern. Eine entscheidende Empfehlung ist es, die Möglichkeit zum Netzwerken bewusst zu fördern. Hierzu empfehle ich konkret, eine Liste der Teilnehmenden bereits im Voraus in Echtzeit mithilfe einer App zu veröffentlichen. Individuell erstellte Profile erleichtern die Suche nach interessanten Kontakten und ein Treffen vor Ort kann bereits im Chat vereinbart werden. Eine letzte Handlungsempfehlung ist die nachhaltige Gestaltung der Veranstaltung vor Ort. Obwohl ich dieses Thema nicht konkret in der Arbeit diskutiert habe, wurde deutlich, dass für Besuchende der Nachhaltigkeitsaspekt nicht relevant ist. Es liegt demnach in der Hand der Organisation, eine Veranstaltung so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Welche finanziell möglichen Optionen es hierbei gibt, muss in weiteren Forschungen untersucht werden.

Boltenhagen

Dorothea Boltenhagen, MA

Während eines längeren Aufenthalts im Ausland entwickelte Dorothea Boltenhagen ein starkes Interesse am Tourismus. Ihr Weg führte sie schließlich zum MCI in Innsbruck, wo sie sich im Rahmen ihres Masterstudiums "Entrepreneurship und Tourismus" auf das Schwerpunktthema Strategisches Management konzentrierte. Schon während ihres dualen Bachelorstudiums begleitete sie das Unternehmen Meine Welt Reisen GmbH und sammelte wertvolles Wissen und Erfahrungen. Seit der Gründung ist sie in diesem Unternehmen tätig und widmet sich nun vollständig dem Vertrieb und dem strategischen Management.

Dorothea Boltenhagen auf LinkedIn

Masterarbeit Betreuung: Assoz. FH-Prof. MMag. Raphaela Stadler, PhD

 

Titelbild: Congress Innsbruck

Datum: 09.02.2024