TTR: Wie kam es zu der Idee von worcay?
Matthias Will: Als leidenschaftlicher Skifahrer und wohnhaft in der Mitte von Deutschland war die Zeit während Corona auch deswegen besonders hart für mich, weil ich nicht in die Berge durfte. In der Saison 2021/22 hieß es dann auf einmal man dürfte wieder innerhalb von Deutschland verreisen. Es gab jedoch ein weiteres Problem: die Skigebiete hatten massiven Personalmangel und das war die Geburtsstunde von worcay. Ich habe einem Skigebiet aus dem Allgäu, das ich sehr gut kenne, dabei geholfen Personal zu besorgen – das war ein riesiger Erfolg und plötzlich wurde ich von weiteren Unternehmern aus dem Süden gefragt, ob ich ihnen nicht auch helfen könnte Personal zu finden. Die letzten Jahre habe ich für internationale Konzerne in den verschiedensten Branchen an neuen Innovationen gearbeitet. Mir war klar, dass ich bereit bin selber eine Firma aufzubauen, sobald mir eine Idee über den Weg läuft hinter der ich zu 100% stehen kann und für die es sich lohnt die Extrameile der Selbstständigkeit zu gehen. Offiziell haben wir (mein Mitgründer Johann, drei Mitarbeiter und ich) worcay dann am 01.12.2022 gelaunched. Spezialisiert sind wir zum aktuellen Zeitpunkt primär auf die Unterstützung von Betrieben aus dem Gastgewerbe, vor allem aus der (Premium)Hotellerie. SchülerInnen, Studierende oder generell junge Menschen können so für eine gewisse Zeit Arbeit und Reisen sinnvoll miteinander verbinden und für ein oder mehrere Monate in einem Betrieb mitarbeiten.
TTR: Wie sieht eine erste Bilanz aus? Was habt ihr gelernt?
Matthias Will: Die ersten 4,5 Monate waren absolut verrückt – im positiven Sinne. Partner, wie z.B. eine Sonnenalp im Allgäu, haben sehr schnell verstanden, worum es bei worcay geht: Eine win-win-Situation herzustellen. Gemeinsam kreieren wir Chancengleichheit, da mit uns jeder in die schönsten Ferienregionen kommt, der vor Ort bereit ist top motiviert zu arbeiten und gleichzeitig unterstützen und entlasten wir das Fachpersonal unserer Partnerbetriebe und geben dort die Möglichkeit noch fokussierter das zu tun, was sie sehr gut können: Gastgeber sein.
Wir haben gelernt, dass im Tourismus und im Gastgewerbe die klassischen Vertriebstelefonate nicht funktionieren. Ein gutes Produkt alleine reicht nicht aus - überzeugen können wir die meisten Betriebe durch Weiterempfehlungen aus unserem Netzwerk in der Hotellerie oder durch bereits geschriebene Erfolgsgeschichten mit unseren Partnerbetrieben der ersten Stunde. Seit ein paar Wochen kommen nun immer mehr Betriebe auch aktiv auf uns zu, weil sie mitbekommen haben, welche Vision wir mit worcay verfolgen und sie ein Teil davon werden möchten. Mit über 200 Bewerbungen in unserem Teilnehmerpool sind wir startklar um weitere tolle Partnerbetriebe zu onboarden.
TTR: Was erwartet ihr für die Zukunft?
Matthias Will: Unser klares Ziel ist die Vision von worcay in die Welt zu tragen und gemeinsam mit unseren Partnerbetrieben eine neue Form des Work & Travels zu etablieren. Wir hoffen neue Ferienregionen zu erschließen und noch mehr Menschen die Möglichkeit geben zu können unsere Partnerbetriebe im Kampf gegen den Personalmangel zu unterstützen. Vorerst werden wir nur sehr partiell in außereuropäische Destinationen expandieren. Unser Fokus wird in den nächsten 1,5 Jahren auf dem europäischen Raum liegen. Was danach passiert, sehen wir dann. Wir werden viel Kraft in den weiteren Ausbau bestehender Partnerschaften stecken und intern an unserer eigenen Plattform weiterentwickeln. Wir wollen für unsere Betriebe der Nummer 1 Ansprechpartner werden, wenn es darum geht top motivierte Menschen zur Unterstützung herbeizuziehen.
TTR: Wie kann man Partner bei worcay werden?
Matthias Will: Im Grunde ist diese Frage recht einfach zu beantworten: Die Betriebe müssen unsere Werte teilen, gemeinsam mit uns für dieses Konzept einstehen und unseren top motivierten worcays ein guter Arbeitgeber sein – im Gegenzug erhalten sie dafür sehr motivierte worcays und begeistern mit Sicherheit den Ein oder Anderen von ihrer Branche und ihrem Betrieb. Die initiale Anmeldung dauert keine 5 Minuten und kann unter folgendem Link vorgenommen werden: https://www.worcay.com/anmeldung-fur-unternehmen
Die Rahmenbedingungen einer Zusammenarbeit legen die Partnerbetriebe während des Anmeldeprozesses letztlich selbst fest. Die Erfahrungen der letzten Monate haben jedoch gezeigt, dass wir eine sehr hohe Matchingwahrscheinlichkeit beobachten, wenn der Betrieb folgende Rahmenbedingungen schafft:
- Kostenfreie Unterkunft im Mitarbeiterzimmer (auch Wohngemeinschaft und Doppelzimmerunterbringung für Freunde/ Paare)
- Kochmöglichkeit im Zimmer oder kostenfreies Mitarbeiteressen
- 30h/Woche - so hätten die worcays noch genug Zeit die Region zu erkunden
- 2 Tage die Woche frei
- lokaler Durchschnittslohn an den/die worcay (Aushilfe) - bspw. 12€ Brutto/h in Deutschland)
- Aufenthaltsdauer ab 1 Monat
Gerade die kostenfreie Unterbringung, der Gedanke in Teilzeit arbeiten zu können und dabei noch einen fairen Lohn zu erhalten scheint für die meisten unserer worcays ausschlaggebend für die Teilnahme an unserem Angebot zu sein.
TTR: Wie bildet ihr eine Community und welche Rolle spielt das „Gemeinschaftsgefühl“ für den Erfolg eures Unternehmens?
Matthias Will: Unser gesamtes Geschäftsmodell basiert auf einem sehr starken Communityansatz. Angefangen von der Ansprache auf Social Media, über die initiale Bewerbung hin zu der letztendlichen Reise unserer worcays ist das „Gemeinschaftsgefühl“ essentiell. Wir inspirieren unsere BewerberInnen indem wir Content ausspielen, der reale worcays mit anderen Gleichgesinnten zeigt oder versuchen ein möglichst realistisches Bild davon zu zeichnen, wie die Teilnahme bei uns aussehen wird. Interessiert sich nun ein worcay für unser Programm, hat er die Möglichkeit sich sehr niedrigschwellig bei uns zu registrieren oder im Vorhinein an einem Community Call teilzunehmen. Diese Calls finden dreimal in der Woche statt und bieten eine direkte Gelegenheit bereits zu diesem Zeitpunkt andere Interessierte kennenzulernen. Bewirbt sich ein/e KandidatIn muss er/sie sich einen 10-minütigen Onboarding Call buchen. Hier findet eine weitere Qualifizierung der Kandidaten statt und das Thema Community wird aktiv angesprochen. Haben wir ein Match gefunden, so wird der/die KandidatIn per Chatgruppe mit anderen worcays aus der gleichen Region bereits vor seiner Abreise connected. Angekommen in der Ferienregion kann der/die worcay sich mit anderen worcays verabreden und lokale community Events organisieren. Durch den Erhalt eines worcay bags geben wir dem Kandidaten zusätzlich einen direkten Draht zu uns. Unsere worcay „Mum“ steht jeden Nachmittag für ein Telefonat zur Verfügung. Im Anschluss an die Reise können die worcays einer Alumni Gruppe beitreten. Für den kommenden Sommer planen wir außerdem eine deutschlandweite Party Tour, organisiert von der worcay family.
TTR: Wie kann euer Ansatz zum Image der Hospitality-Branche beitragen?
Matthias Will: Wir leisten einen Beitrag auf zwei verschiedenen Ebenen.
- Wir schaffen mit unseren empfohlenen Rahmenbedingungen (30h/Woche, kostenfreie Unterkunft, faire Bezahlung und lokale Zusatzdeals (wie die Nutzung des Spa-Bereichs, Mitarbeiteressen etc.)) bei unseren Partnerbetrieben ein Bewusstsein für die Anforderungen an ein arbeitgebendes Unternehmen in diesen angespannten Zeiten und gleichzeitig generieren wir einen sehr niedrigschwelligen Einstieg in eine Branche, die in unserer Zielgruppe eher mit Überstunden, einer schlechten Bezahlung etc. assoziiert ist.
- Wir sorgen gemeinsam mit unseren Partnerbetrieben für mehr Chancengleichheit. Während Verreisen normalerweise eher wohl situierten Personen vorbehalten ist, hebeln wir diesen Faktor aus und ermöglichen auch Menschen aus einfachen Verhältnissen in einzigartige Regionen zu verreisen, indem sie dort arbeiten. Dieser Social Impact Gedanke wird zukünftig auch aktiv mit unseren Partnerbetrieben vermarktet, wodurch wir auch das Thema „Employer Branding“ mit angehen.
Matthias Will
Matthias Will ist Gründer und Geschäftsführer von worcay. Mit Anfang 20, parallel zu seinem Psychologie Studium, hat er sein erstes Unternehmen aufgebaut - eine Plattform für die Gastronomie. Danach folgten mehrere Stationen als Angestellter und Selbstständiger in internationalen Konzernen und im Mittelstand, wo er in den Bereichen der IT, Innovation und Organisationsentwicklung internationale Projekte betreute. Seit der Gründung von worcay sucht er den aktiven Austausch zu Experten der Tourismusbranche und ist als Speaker auf Branchenveranstaltungen unterwegs.
Titelbild: Worcay
Datum: 21.04.2023