TTR: Wie kam es zu dieser Studie?
Dr. Roland Schegg: Unsere Hochschule wurde im Frühjahr 2022 von GastroValais, dem regionalen Branchenverband der Gastronomie kontaktiert. Die Branchenverbände sind besorgt über die Situation des Personalmangels und den Rückgang der Lehrlingszahlen im Vergleich zu vor 20-30 Jahren und machen sich in verschiedenen Gremien Gedanken zu möglichen Lösungsansätzen.
Die Verbände möchten sich ein klareres Bild davon machen, wie die Jugendlichen die Berufe in der Hotellerie und Gastronomie wahrnehmen. Die Grundfrage lautet somit "Was kann im Hotel- und Gaststättengewerbe getan werden, um junge Menschen wieder für diesen Sektor zu begeistern?".
TTR: Wer wurde wozu befragt?
Dr. Roland Schegg: Das zentrale Element unserer Studie war die Durchführung einer Umfrage bei einer Population junger Erwachsener, die eine tertiäre Ausbildung im Kanton Wallis absolvieren. Im Mai 2022 wurde ein Online-Fragebogen an die Studierenden der HES-SO Valais-Wallis (quer über alle Studiengänge) gesandt, um ihre Wahrnehmung der Berufe in der Hôtellerie und Restauration zu ermitteln. Ziel war es, das Interesse junger Menschen für diese Berufe zu ermitteln, und die wahrgenommenen Stärken und Schwächen zu identifizieren. Insgesamt haben 326 Personen an der Umfrage teilgenommen.
TTR: Was zeigen die Studienergebnisse?
Dr. Roland Schegg: Unsere Studie zeigt, dass die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, ein angenehmes Arbeitsumfeld und die Anerkennung der geleisteten Arbeit die drei wichtigsten Erwartungen der Befragten an das Arbeitsleben im Allgemeinen sind. Ebenfalls wichtig sind folgende Punkte:
- sich mit den Werten des Unternehmens identifizieren zu können
- selbstständig zu sein
- Arbeitsplatzsicherheit zu genießen
- ein gutes Gehalt zu verdienen (dies ist jedoch nicht das wichtigste Kriterium)
- die Möglichkeit zu haben, sich beruflich weiterzuentwickeln und Zugang zu Weiterbildungsmöglichkeiten zu haben
Studierende wollen also ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben (Work-Life Balance), d.h. sie möchten nicht übermässig viele Stunden pro Woche arbeiten oder jeden Tag der Woche ihrer Arbeit widmen.
Die Umfrage ergab, dass die größten wahrgenommenen Nachteile des Gastgewerbes durch die Studierenden das stressige Arbeitsumfeld, die vielen Überstunden und die niedrigen Löhne sind. Die anderen hervorstechenden Elemente sind die mangelnde Wertschätzung dieser Berufe in unserer Gesellschaft und die gestaffelten und manchmal belastenden Arbeitszeiten.
TTR: Welche Maßnahmen leitet ihr aus diesen für die Hotellerie und Gastronomie ab?
Dr. Roland Schegg: Abgesehen von der (erwarteten) Verbesserung der Lohnbedingungen heben die Studierenden eine Reihe von Verbesserungsmaßnahmen hervor, die nicht unbedingt große finanzielle Auswirkungen für die Unternehmen haben müssen:
- Mehr geplante Wochenenden haben. Einbeziehung der Mitarbeiter in die Dienstplanung, insbesondere durch die Einführung eines "Selbstplaners"
- Mehr Kontrolle über Überstunden haben
- Eine Vier-Tage-Arbeitswoche einführen zur Vermeidung von Unterbrechungen und diskontinuierliche Arbeitszeiten
Die Unternehmen des Sektors müssen die Art und Weise, wie sie die Arbeit organisieren, überdenken und die Arbeitsbedingungen im Allgemeinen verbessern, um im Vergleich zu anderen Sektoren wettbewerbsfähig zu bleiben. Alle Maßnahmen, die zu einer besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben führen, werden somit dem Hauptwunsch der Generationen Y und Z entsprechen.
Dr. Roland Schegg
Dr. Roland Schegg ist Dozent an der Hochschule für Wirtschaft in Siders und Forscher am Institut für Tourismus der HES-SO Valais/Wallis. Zwischen 2000 und 2004 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Dozent an der Ecole Hôtelière de Lausanne (EHL) tätig. Aktuell beschäftigt er sich im Rahmen seiner Forschungstätigkeit vor allem mit der digitalen Transformation in der Tourismusindustrie. Themen seiner Arbeiten sind u.a. das Monitoring der Vertriebskanäle in der europäischen Hotellerie, eCommerce und digitales Marketing (Social Media, eReputation Management) im Tourismus.
Bildnachweis: Tirol Werbung & HES-SO
Datum: 07.11.2022