Tourismus NEXT

TTR: Wie ist es zur Idee dieses Buchprojektes gekommen?

Daniel Egger: Seit mehr als 15 Jahren arbeite ich mit einer gemeinschaftlichen Produktentwicklung. Das heißt, den Menschen ehrlich zuzuhören. Bei einem Mentoring eines innovativen Start-ups aus der Tourismusbranche merkte ich, dass sehr viele über den Tourismus reden, aber wenige den Touristikern:innen zuhören. So setzte ich eine komplett andere Art von Gesprächen, Design Interviews, mit 53 exzellenten Praktikern:innen an. Ich habe dabei zugehört, welche Themen sie wirklich und spontan bewegen und was sie als NEXT im Tourismus sehen.  Während dieser Zeit wurde auch ich von Corona überrascht. Ich nutzte aber diese Möglichkeit zu validieren, welche Meinungen der Touristiker:innen sich durch die Pandemie verändert haben.

TTR: Welches sind die zentralen Erkenntnisse des Buches?

Daniel Egger: Aus den Gesprächen ergaben sich 30 wichtige Themenbereiche, die spontan von den Touristikern:innen erwähnt wurden. Die wohl wichtigste Erkenntnis ist, dass die Mehrheit der Befragten ehrlich der Meinung ist: „keinesfalls weiter so.“ Unsere harte Arbeit bescherte uns in den letzten Jahrzehnten viel Erfolg und ein enormes Wachstum, aber gleichzeitig auch eine Gleichheit, Marktsättigung und „Zerbrechlichkeit“. Diese Aussagen gingen Hand in Hand mit dem Wunsch eines Ausbruchs aus der Visionslosigkeit, der Entdeckung und aktiven Förderung von neuen „Leithammeln“ und neuer „Leitauen“, mehr Mut für härtere Entscheidungen, einer stärkeren unternehmerischen Perspektive und der Notwendigkeit, sich schärfer und authentischer im Tourismus zu positionieren.

TTR: In welche Richtung müsste sich der Tourismus laut den von Ihnen interviewten Experten verändern?

Daniel Egger: Viele Themen kamen in den Gesprächen auf. Es ging darum, sich zu verändern, um aus dem blinden Wachstum auszubrechen, hin zu einer Erhöhung der Wertschöpfung. Zwei Themen möchte ich hier besonders hervorheben. Als erstes sehen viele der Praktiker:innen, dass wir im Tourismus wieder das Menscheln lernen müssen; nicht die Gastfreundschaft oder noch mehr Hardware, das gehört alles heute zur Grundausstattung. Vielmehr sehen die Touristiker:innen die Zukunft in einer neuen menschlichen Beziehung zwischen den Gästen, Mitarbeitern:innen und den Einheimischen. Das zweite Thema ist die Wiederentdeckung der Regionalität mit ihren Werten, Bräuchen und Ritualen. Das bedeutet eine Rückbesinnung zum Ursprung und weniger ein Disney–Land in den Alpen wie Schilder zu sehen: „nach links geht’s zu der Kuh“. Vielmehr sind einige der Meinung, dass es wichtig ist, die regionalen Werte wiederzuentdecken und den Gästen neue authentische Erlebnisse anzubieten. Dadurch sehen wir die neue alte Regionalität als Ausweg aus der Sättigung, der Gleichheit, als Verbesserung der Tourismusgesinnung und als neuen Wachstumstreiber für die nächsten Jahre. Aber natürlich mit hoher Qualität.

TTR: Welche dieser Forderungen sind für sie persönlich am wichtigsten, welche am realistischsten? 

Daniel Egger: Ich hatte das Glück, mich mit sehr vielen unterschiedlichen Touristikern:innen ehrlich auszutauschen. Dabei sah ich, dass der Wunsch zur Veränderung existiert und auch Aussagen wie „Mitarbeiter:innen sind wichtiger als Gäste“ immer mehr an Realität gewinnen. Für mich ist es am wichtigsten, dass sich viele der Praktiker:innen bewusst werden, dass ein Ausbruch aus der Gleichheit möglich ist, jede Krise Chancen bietet und dass weniger „ich“ hin zum „wir“ den Tourismus gemeinschaftlich verändern kann. Viele dieser Ideen waren realistisch vor Corona. Nach der Krise scheint es, dass viele dieser Wünsche der Notwendigkeit des finanziellen Ausgleichs weichen werden.