TTR: Wie kam es zu der Idee, den Gestaltungs- und Ideenwettbewerb „Tirol in Sicht“ auszuschreiben und was ist die Zielsetzung dahinter?
Janine Hofmann (Tirol Werbung TW): Die Ausgangssituation für diesen Gestaltungswettbewerb war folgende: 2019 werden die 14 Grenzstellen im Sinne der Corporate Architecture der Tirol Werbung neu gestaltet. Das neue Design erinnert an einen Bilderrahmen, der im übertragenen Sinn Einblicke in das Land ermöglichen soll. Für eine auffällige und anspruchsvolle Bespielung dieser neuen „Tirol-Portale“ hat die Tirol Werbung begleitet von WEISSRAUM einen Kreativwettbewerb für die grafisch-visuelle Bespielung der neuen „Tirol-Portale“ ausgelobt. Die Zielsetzung: Diese großflächigen Präsentationselemente in unmittelbarer Grenznähe sollen zu besonderen Marken-Kontaktpunkten und Kommunikationsflächen werden und mit bildlichen, grafischen und textlichen Mitteln ein niveauvolles, zeitgemäßes, sympathisches Selbstbild Tirols formen, das Gäste wie Einheimische gleichermaßen anspricht.
Kurt Höretzeder (WEI SRAUM WR): Wettbewerbe sind ein Instrument und eine Möglichkeit, um im Bereich des Designs zu ungewohnten, qualitativ ansprechenden Gestaltungslösungen zu kommen. Sie sind natürlich keine Garantie dafür, aber sie eröffnen im Regelfall neue Perspektiven und Zugänge. Genau deswegen begleitet WEISSRAUM solche Prozesse. Wir kümmern uns einerseits darum ein hervorragendes Briefing zu formulieren, das Kreative für die Aufgabe begeistert, andererseits garantieren wir einen möglichst fairen, transparenten Ablauf mit entsprechenden Abschlagshonoraren. Für die Tirol Werbung ist eine hochstehende Designkultur ein zentraler Qualitätsfaktor der Zukunft, egal ob dabei von Architektur, Grafik- oder Produktdesign die Rede ist. Und genau deswegen wurden wir für der Begleitung dieses kleinen Wettbewerbs beigezogen, weil wir als Designforum Tirol auch Türöffner sein können, um kreative Potenziale im Land zu wecken und sichtbar werden zu lassen.
TTR: Wer konnte am Wettbewerb teilnehmen?
Janine Hofmann (TW): In einem ersten „Call for Entries“ wurden Agenturen, Gestaltungs- und Architekturbüros, GrafikdesignerInnen, FotografInnen, IllustratorInnen, TexterInnen, KünstlerInnen, LiteratInnen sowie alle, die sich gestalterisch/inhaltlich in ernsthafter Weise mit dem Thema auseinandersetzen wollen aufgerufen sich zu bewerben. Aus 64 Einreichungen zum Open Call hat die Jury zwölf – vorwiegend interdisziplinär zusammengesetzte – Büros/Arbeitsgemeinschaften aus Österreich, Südtirol, Deutschland und den USA für die zweite Runde - dem eigentlichen Gestaltungswettbewerb ausgewählt.
TTR: Wer wurde zum Sieger gekürt und wie hat die Jury ihre Entscheidung begründet?
Janine Hofmann (TW): Die Jury hat zwei Projekte als Sieger gekürt: Zum einen die Einreichung der ARGE „Klein Luttenberger Kraxner Funke“, ein Zusammenschluss von 4 Privatpersonen bzw. Selbständigen. Diese Konzeption überzeugte die Jury mit einem einfachen, plakativen und trotzdem ansprechenden sprachlichen Ansatz, dessen Wortspiele Witz haben und die eine länger dauernde, immer wieder überraschende und trotzdem einfache Bespielung der Tirol-Portale ermöglicht. So kann man sich beispielsweise ein Germknödel-Plakat „/TIROL/AMISU“ an den Grenzübergängen zu Italien gut vorstellen, welches sicherlich den ein oder anderen Vorbeifahrenden zum Schmunzeln bringen würde (siehe Titelbild).
Das zweite Siegerprojekt stammt von Studio MUT: Dieses Konzept unterscheidet sich von den anderen Einreichungen grundlegend, da hier das einreichende Büro nicht selbst die Gestaltung übernimmt, sondern die Position eines „Kurators“ einnimmt. Der Ansatz, namhafte PlakatgestalterInnen aus der ganzen Welt einzuladen, ein Plakat zu Tirol zu entwerfen, betont die eigenständige Rolle der Plakats als Ausdrucks- und Kunstform und würde spannende Blicke von außen auf Tirol ermöglichen. – Ein guter Ansatz, der das Potenzial hat, die Tradition der Künstlerplakate seitens der Tirol Werbung auf zeitgemäße Art fortzuführen.
Kurt Höretzeder (WR): Manchmal nehmen Jurysitzungen einen ganz eigenen Verlauf. Die beiden Einreichungen kristallisierten sich erst nach intensiven Diskussionen als Sieger heraus. Beide Projekte hatten aber auch ihre „Problemzonen“: Jenes der ARGE „Klein Luttenberger Kraxner Funke“ konnte vor allem mit einer interessanten, variantenreichen textlichen Idee überzeugen. Die Jury kam zum Schluss, dass sich dieser Ansatz gut mit der Bildkommunikation der Tirol Werbung kombinieren lässt. Weniger überzeugen konnte hingegen der Vorschlag der Einreicher, die Plakate mit Illustrationen zu kombinieren, hier konkurrenzieren Text und Bild sich gegenseitig. – Also erfolgte mit der Kür zum Siegerprojekt zugleich die Empfehlung der Jury, die Konzeption in gestalterischer Hinsicht neu zu denken.
Bei dem zweiten Siegerprojekt von Studio MUT konnte der internationale Ansatz überzeugen und die Aussicht auf eine zeitgemäße Wiederbelebung der Tradition von Künstlerplakaten der Tirol Werbung. Allerdings war auch klar, dass dieser Ansatz alleine für die Bespielung der 14 Grenzstellen nicht ausreichen würde. – Insofern vereint die Kür von zwei Projekten das Beste aus beiden Ansätzen: Einerseits ein Konzept, das durch die Kombination von Bild und Text einfach zu produzierende, charmante, kurzweilige und durchaus ironische Statements zu Tirol in vielen Facetten ermöglicht; und andererseits ein Projekt, das Tirol im Bereich der Plakatkunst auf zeitgemäße Art an eine bestehende Tradition anknüpfen lässt, die mit Arthur Zelger begann und die nun erstmals seit den Künstlerplakaten der 1990er-Jahre ihre Fortsetzung auf größerer Bühne findet. Abwechselnd geschaltet, ergäbe das ein breites visuelles und inhaltliches Spektrum für die Bespielung der neuen Grenzstellen.
TTR: Wird es weitere Projekte, Ausstellungen oder Wettbewerbe mit touristischem Bezug geben?
Kurt Höretzeder (WR): Ich hoffe das sehr. Der Tourismus ist ein wichtiger und auch ein potenter Wirtschaftszweig im Land. Er könnte wichtige Beiträge liefern für mehr Qualität in der Gestaltung im Bereich von Grafik, Design und Architektur. Teilweise geschieht das bereits, aber es gibt noch viel Luft nach oben. Wenn man einerseits die natürliche Schönheit des Landes erhalten und schützen will, dann muss man andererseits auch die Lebensräume des Menschen „schützen“: Gutes Design ist für Einheimische wie Gäste wichtig, und da gäbe es viel wieder gut zu machen. Die zurückliegenden Jahrzehnte haben tiefe Spuren hinterlassen, manche Stadtrandzonen und ehemals idyllische Dörfer sind – man kann es nicht anders nennen – ohne jedes Gespür gewuchert. Diese öffentlichen Räume wieder zurückzuverwandeln in Lebensräume, diese großflächigen Korrekturen, Umformungen und Rücknahmen sind eine wichtige Aufgabe für kommende Jahrzehnte – vor allem für Tirol als Tourismusland. Gute, intelligente, nachhaltige Gestaltung wird dabei unverzichtbar sein, und Wettbewerbe tragen dazu bei, solche Themen populär zu machen.
Janine Hofmann (TW): Die Tirol Werbung schreibt immer wieder Projekte aus und konnte bei den „Tirol-Portalen“ in der tollen Zusammenarbeit mit dem WEISSRAUM einen sehr interessanten und kreativen Kreis an Teilnehmern gewinnen. Im Mai 2019 wird es zu den Portalen auch eine Ausstellung im WEISSRAUM geben. Die Ausstellung präsentiert alle Einreichungen der zweiten Runde und möchte damit die Breite und Vielfalt der Zugänge zu einem zeitgemäßen, facettenreichen Selbstbild Tirols zeigen, das über gewohnte werbliche Botschaften hinausgeht.
Bérénice John (Design, Tirol Werbung), Janine Hofmann (Leitung Design, Tirol Werbung) und Kurt Höretzeder (Gestalter, Gründer und Leiter, WEI SRAUM)
WEI SRAUM Designforum Tirol versteht sich als Plattform rund um die Themen zeitgemäßer visueller Kommunikation und Design. Es fördert durch Vorträge, Ausstellungen, Ausbildungsangebote, Diskussionen, Publikationen und Designforschung das Bewusstsein für die Bedeutung dieses Bereichs angewandter Gestaltung in unserer Gesellschaft.
Die Ausstellung "Tirol in Sicht" wird am Dienstag, 14. Mai 2019, 19 Uhr im WEI SRAUM in Innsbruck eröffnet. Folgende Statements sind geplant:
- Kurt Höretzeder (Gestalter, Gründer und Leiter WEI SRAUM): Die Bedeutung guter Gestaltungswettbewerbe
- Florian Phleps (Geschäftsführer Tirol Werbung): Die Bedeutung von Design für die Tirol Werbung
- Janine Hofmann (Leitung Design Tirol Werbung): Zum Wettbewerb und Status Quo des Projekts
- Christian Salić (Gründer und Geschäftsführer von Salić. Agentur für Marke, Design und Werbung, Juryvorsitzender): Zum Wettbewerb aus der Sicht der Jury
Die Ausstellung läuft bis 24. Mai 2019 zu folgenden Öffnungszeiten:
Di 14–20 Uhr
Mi–Fr 14–18 Uhr
Sa 11–15 Uhr
Der Eintritt ist gratis.