TTR: Wieso ist das Thema für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant?
Anna Hörl: Familienunternehmen machen im deutschsprachigen Raum rund 80 % aller Unternehmen aus (Baumgartner, 2009) und erbringen somit einen Großteil der Wirtschaftsleistung. Insbesondere die Tiroler Tourismuswirtschaft ist auch durch Familienbetriebe geprägt. Hinzu kommt, dass ein genereller Trend zu mehr Teamarbeit erkennbar ist. Dies führt dazu, dass Familienunternehmen immer häufiger an mehrere NachfolgerInnen übergeben werden. Begründet werden kann dies unter anderem damit, dass es aufgrund der immer komplexer werdenden Bedingungen der heutigen Geschäftswelt immer schwieriger wird, dass eine Person alleine alle Anforderungen erfüllen kann, um das Unternehmen wettbewerbsfähig führen zu können (Bövers & Hoon, 2020; Cater & Justis, 2010; Jäcke-Wurzer et al., 2017).
TTR: Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit und welche Bedeutung haben diese für touristische Destinationen und Betriebe?
Anna Hörl: Durch eine Vielzahl an Interviews, sowohl mit Expertinnen und Experten, als auch mit Geschwistern, die ihren Betrieb bereits im Tandem führen, oder planen dies zu tun, konnten Vor- und Nachteile der Tandemführung erhoben werden. Außerdem legt die Arbeit dar, welche Herausforderungen mit der Umsetzung einer Tandemführung unter Geschwistern verbunden sind.
Die Vorteile umfassen folgende Punkte:
- Freizeit (mehr Freizeit, man kann sich leichter Urlaub nehmen),
- Zusammenarbeit (Aufteilung des Drucks, der Verantwortung, der Aufgaben),
- Vertrauen,
- Kommunikation (Geschwistern fällt die Kommunikation untereinander leicht) und
- Entscheidungen (Entscheidungen sind durch die verschiedenen Blickwinkel und Meinungen besser durchdacht).
Natürlich gibt es auch Nachteile, insbesondere die Koordination (Tandemführung ist komplizierter, es bedarf mehr Kommunikation) wurde häufig genannt. Auch die Partner wurden als potenzielle Gefahrenquelle genannt. Weitere nachteilige Punkte sind, dass Entscheidungen länger dauern und die Nachfolge, wie es nach der Tandemführung weitergeht. Anzumerken ist, dass die Geschwister in den Interviews klar zum Ausdruck gebracht haben, dass die Vorteile überwiegen. Es kann also geschlussfolgert werden, dass eine Tandemführung vorteilhaft ist, sofern die Geschwister die richtige Balance zwischen den Rollen als Geschwistern und Geschäftspartnern finden und ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft mitbringen. Ein geplanter und gezielter Einsatz der Tandemführung kann das Unternehmen stärken und infolgedessen zu weiteren positiven Effekten in der Destination führen.
Die Herausforderungen bei Einführung einer Tandemarbeit sind vor allem die strikte Trennung der Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen. Auch die Ziele müssen übereinstimmen, außerdem ist es schwierig, Konsequenzen festzulegen, was passiert, wenn sich eine Person nicht mehr an die gemeinsamen Ziele hält. Die Definition einer Familienverfassung war für viele Geschwister schwierig, machte sich jedoch in späterer Folge bezahlt. Auch die Nachfolge ist ein Punkt, der für Familien nicht einfach zu klären ist.
Die Ergebnisse der Untersuchung wirken unterstützend, dass sich Tandemführungen in familiengeführten Tourismusbetrieben künftig vermehrt etablieren, wodurch ein Mehrwert für das Unternehmen und folglich auch für die Destination generiert werden kann.
TTR: Welche konkreten Handlungsempfehlungen geben Sie in Ihrer Masterarbeit?
Anna Hörl: Um die genannten Herausforderungen zu überwinden, ist vor allem Kommunikation notwendig. Die Masterarbeit zeigt auch, wie wichtig die rechtzeitige Planung und Auseinandersetzung der Beteiligten mit dem Thema Tandemnachfolge ist. Es ist außerdem empfehlenswert, sich in diesem Prozess begleiten und beraten zu lassen. Der möglichst lückenlosen Definition einer Familienverfassung kommt eine große Rolle zu, da etwaige Unklarheiten später zu Problemen führen können. Je detaillierter die Zusammenarbeit im Vorhinein geregelt wird, desto eher können Konflikte verhindert werden.
Anna Hörl
Nach der Handelsakademie mit Schwerpunkt Hotel- und Eventmanagement hat Anna Hörl Internationale Wirtschaftswissenschaften an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und der BI Norwegian Business School studiert. Im Anschluss hat sie das MCI-Masterstudium Strategisches Management und Tourismus abgeschlossen. Derzeit ist sie in einer Hotelkette in der Administration tätig, in einigen Jahren werden ihr Bruder und sie ihren Familienbetrieb übernehmen.
Bildnachweis: Tirol Werbung, Schwarz Jens
Datum: 13.12.22