TTR: Wieso ist das Thema für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant? Welche Rolle spielen Tagesgäste für den Tiroler Skitourismus?
Antonia Weiler: Tirol zeichnet sich durch seine hohe Verbundenheit zum Tourismus aus und fungiert insbesondere in strukturschwachen und ruralen Gebieten als wichtiger Wirtschaftsmotor. Der für die vorliegende Arbeit relevante Tagestourismus stellt dabei ein besonderes Feld dar. Auch wenn er in existierender Forschung bisher kaum berücksichtigt wurde, generiert er kumuliert betrachtet erhebliche Beiträge zu den Gesamteinnahmen. Im Tiroler Tourismusjahr 2019, welches als das letzte von der Covid-19-Pandemie unberührte Tourismusjahr gilt, betrug sein Umsatz 1,7 Milliarden Euro. Dies entspricht 20% des touristischen Gesamtumsatzes. Des Weiteren trägt er insbesondere in auslastungsschwächeren Zeiten wie Neben- und Zwischensaisonen zu ganzjähriger Nutzung vorhandener Infrastrukturen bei und führt damit ebenfalls zu ganzjähriger Beschäftigung. Dies wurde nicht zuletzt durch die globale Covid-19-Pandemie deutlich, welche zu gravierenden Einbrüchen des gesamten Tourismus führte. Zwar wurde der Tagestourismus ebenfalls geschwächt, generell gilt er im Vergleich zu mehrtägigen Aufenthalten jedoch als risikoärmer und weniger anfällig für Störfaktoren.
TTR: Was sind die Kernergebnisse Ihrer Arbeit und welche Bedeutung haben diese für Tiroler Skigebiete?
Antonia Weiler: Die Ergebnisse der Arbeit zeigen zunächst, dass verschiedenen Entscheidungsfaktoren bei der Skigebietswahl von Tagesgästen unterschiedlich große Bedeutungen zukommen. Ein hoher Stellenwert zeigt sich insbesondere hinsichtlich der internen Reisemotivation in Form von Spaß mit der Familie und mit Freunden, sportlicher Betätigung sowie Erlebnissen in der Natur. Einen hohen Einfluss haben außerdem Preis, die Meinung von Referenz- und Bezugsgruppen sowie die persönliche Reiseerfahrung. Des Weiteren können situative Faktoren die Entscheidung kurzfristig beeinflussen und umfassen Schnee- und Pistenbedingungen, Schneesicherheit sowie das Wetter. Damit ist externer Input insgesamt als weniger wichtig einzustufen als interne Variablen, die Reiseerfahrung sowie situative Variablen.
Darauf aufbauend sind relevante Unterschiede zwischen Gästegruppen jedoch insbesondere hinsichtlich der Bedeutung externer Faktoren festzustellen, mit deren Hilfe schließlich vier aussagekräftige Personas abgeleitet werden können.
Die 22-jährige Studentin Katharina verfügt lediglich über ein geringes Ausgabeverhalten. Hinsichtlich externer Faktoren legt sie wenig Wert auf Infrastruktur, während ihr der Preis, der öffentliche Nahverkehr, soziale Medien sowie Webcams wichtig sind. Anne, 40 sowie Mutter von zwei Kindern hingegen weist ein mittleres Ausgabeverhalten auf. Sie sucht Skigebiete in der Regel mit ihrer Familie sowie am Wochenende auf. Neben dem Preis ist ihr außerdem die Infrastruktur am Berg sehr wichtig. Währenddessen verfügt Hans, 55, über ein vergleichsweise hohes Ausgabeverhalten. Auch er legt viel Wert auf Preis und Infrastruktur am Berg. Neben Webcams nutzt er zusätzlich die Skigebietswebsite als Informationsmedium. Die vierte Persona stellt schließlich den 30-jährigen Fabian dar, welcher überdurchschnittlich viele Skifahrertage pro Jahr sammelt, jedoch lediglich geringe Ausgaben tätigt. Externe Faktoren sind ihm unwichtig, da es ihm hauptsächlich um den Sport geht.
Eine ausführliche Beschreibung der Personas gibt es hier.
TTR: Wie können diese Personas nun genutzt werden? Welche konkreten Handlungsempfehlungen geben Sie zusätzlich in Ihrer Masterarbeit?
Antonia Weiler: Aus den Ergebnissen ergeben sich mehrere wichtige Implikationen für Tiroler Skigebiete. Von den untersuchten Faktoren sind insbesondere externe sowie situative Faktoren von hoher Relevanz für die Praxis, wobei zunächst erstere betrachtet werden. Um herauszufinden, welche von ihnen für welche Gästegruppen von Bedeutung sind, können die vier erarbeiteten Personas als erster Anhaltspunkt dienen. Sie geben unter anderem Aufschluss über die Bedeutung von Pistenattributen, infrastrukturellen Einrichtungen, Unterhaltungsangeboten oder Marketingaktivitäten und können so gezielt eingesetzt werden. Darauf aufbauend können Skigebiete Zufriedenheitsumfragen entsprechend ihrem Angebot durchführen, um dieses langfristig anpassen zu können. Angepasst an die Zielgruppe können schließlich Marketingstrategien abgeleitet werden.
Im Gegensatz dazu kann auf situative Variablen wie Schnee- und Pistenverhältnisse, Besucherandrang oder das Wetter auch kurzfristig reagiert werden. Eine Möglichkeit dazu bieten dynamische Preisstrategien. Sie adaptieren den ursprünglichen Preis jeweils auf Basis der situativen Umstände und können so auf Wetterlage oder erhöhte Wartezeiten am Lift reagieren. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung haben gezeigt, dass dem Preis als einer der wenigen externen Faktoren eine sehr hohe Wichtigkeit zukommt. Mit dynamischen Preisstrategien kann sowohl diesem als auch der hohen Relevanz situativer Faktoren nachgekommen werden. So kann beispielsweise die Auslastung an regnerischen Tagen mit schlechteren Pistenbedingungen durch niedrigere Preise erhöht werden.
Schließlich bestätigt die Arbeit die Kritik der Literatur über die unzureichende Datenlage bezüglich der Skifahrertage in Tirol. Um Gäste zu kennen sowie in weiterer Folge auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können, sollten Skifahrertage für Tages- und Übernachtungsgäste separat erfasst werden. Über diese Aufschlüsselung können Seilbahnen im ersten Schritt erkennen, welchen Anteil der Tagestourismus in ihrem Skigebiet repräsentiert. In einem zweiten Schritt können sozio-demographische Daten Aufschluss darüber geben, um welche Gästegruppe es sich handelt, sodass in weiterer Folge entsprechend reagiert werden kann. Die Erfassung des Wohnorts gibt beispielsweise Aufschluss über das geographische Einzugsgebiet des Skigebiets, wodurch Marketingkampagnen entsprechend angepasst werden können.
Antonia Weiler
Als gebürtige Mainzerin zog es Antonia Weiler im Jahr 2016 in die Alpen sowie an das Management Center Innsbruck. Nach dem Bachelorstudium der Tourismus- und Freizeitwirtschaft, durch welches sie unter anderem für längere Zeit in Kanada und Spanien studierte und arbeitete, beendete sie im September 2021 das Masterstudium Entrepreneurship & Tourismus | Strategisches Management mit ausgezeichnetem Prüfungserfolg. Bereits während ihres Studiums sammelte Antonia Weiler wertvolle Erfahrungen als Event- und Hochzeitsplanerin auf Ibiza sowie als Eventguide in einem Allgäuer Schneehotel. Auch nach ihrem Abschluss widmet sie sich der Veranstaltungsbranche und leitet seit Anfang 2022 die Eventabteilung der Bergisel Skisprungschanze in Innsbruck.
Antonia Weiler auf LinkedIn
Masterarbeit Betreuung: Janosch Untersteiner, MA
Titelbild: Antonia Weiler
Datum: 14.01.2022