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Open Innovation - wie der Kunde vom Verbraucher zum Co-Designer wird

Entwicklung eines Tools zur Bewertung von Kunden-Ideen
Unsplash Teamwork in the workplace
Wie die MCI Mitarbeiterin und Absolventin Verena Wachter in ihrer Master-Arbeit ein Modell entwickelt, damit Unternehmen den Kunden als Co-Designer für neue Produkte und Dienstleistungen einbeziehen können

TTR: Warum ist die Einbeziehung des Kunden für die Produktentwicklung bzw. den Innovationsprozess wichtig?

Verena Wachter: Die Rolle des Konsumenten hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Während früher Kunden vermehrt als passive Rezipienten von Produkten und Serviceleistungen auftraten, agieren diese heute als aktive Co-Designer beim Erschaffen von neuen Produkt- sowie Serviceleistungen. Zunehmend lässt sich beobachten, dass Firmen ihre Innovationsprozesse öffnen und sich einemOpen InnovationKonzept zuwenden, bei dem sie nicht nur unternehmensinternes Wissen heranziehen, sondern gleichzeitig auch externe Wissensimpulse (zum Beispiel seitens ihrer Kunden) versuchen zu integrieren. Dass dieser Ansatz durchaus empfehlenswert ist, wenn es zum Beispiel darum geht, eine verbesserte Innovationsperformance zu erzielen, belegen zahlreiche empirische Untersuchungen. Gleichzeitig verdeutlichen namhafte Unternehmensbeispiele wie das von Firmen wie D. Swarovski KG, Hilti AG, Hermann Pfanner Getränke GmbH, Fritz Egger GmbH & Co. OG, dass Open Innovation immer mehr an praktischer Bedeutung gewinnt.

Wird der Kunde als einer der zentralen Wertschöpfungspartner beim Generieren von neuen Produkten und Dienstleistungen betrachtet, besteht ein wesentlicher Mehrwert für Unternehmen darin, eine Bandbreite von kreativen Lösungen für neue Produkte und Dienstleistungen zu generieren. Dies bedeutet für Unternehmen in vielen Fällen auch die Erschaffung vollkommen neuer Märkte oder Geschäftsmodelle.

TTR: Wie kann so eine Einbeziehung stattfinden?

Verena Wachter: Für Unternehmen gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie diese ihre Kunden in ihre Innovationsprozesse integrieren können. Eine Methode stellen sogenannteLead User Workshopsdar, bei dem Nutzer, welche mit den Anforderungen des Marktes vertraut sind und ein reges Interesse an der Entwicklung von neuen Produkt- bzw. Dienstleistungsideen besitzen (sogenannteLead User“), aufgefordert werden, innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes (meist 2-3 Tage) eine Vielzahl von marktorientierten Lösungen für Organisationen zu entwickeln.

Eine weitere Möglichkeit bieten sogenannteIdeenwettbewerbemit Kunden. Hier ist es das Ziel, eine möglichst große Anzahl von Ideen zu generieren. Am Ende werden die Ideen von einem Jurorenteam bewertet und die Idee mit dem höchsten Erfolgspotential wird vom Unternehmen übernommen und implementiert. Es lässt sich beobachten, dass Firmen hier vielfach von digitalen Plattformen wie zum BeispielInnocentive“ (www.innocentive.com) Gebrauch machen. Auf dieser Plattform werden unternehmerische Herausforderungen adressiert und folglich wird die sogenannteCrowd“ (bestehend aus einer Reihe von Individuen mit unterschiedlichster Expertise) aufgefordert, für eine spezifische Problemstellung mögliche Lösungsansätze zu generieren.

Obwohl durch die oben angeführten Möglichkeiten eine Vielzahl von Ideen gemeinsam mit Kunden generiert werden können, besteht eine wesentliche Herausforderung für Unternehmen immer noch darin, diese Innovationsimpulse hinsichtlich ihrer Vielfalt und Breite systematisch entlang interner Vorgaben und strategischer Ziele bzw. auch bezüglich der Passfähigkeit zum eigenen Geschäftsmodell zu filtern und zu bewerten. Während dieses Problem in gegenwärtiger wissenschaftlicher Literatur diskutiert wird, lässt sich feststellen, dass es bis heute jedoch kaum praktisch nutzbare Instrumente gibt, welche von Betrieben zur operativen Bewältigung dieser Herausforderung eingesetzt werden können.

Deshalb wurde im Zuge der Masterarbeit gemeinsam mit vier namhaften Unternehmen (D. Swarovski KG, Hilti AG, Hermann Pfanner Getränke GmbH, Fritz Egger GmbH & Co. OG) ein multikriterielles Entscheidungsinstrument entwickelt, welches Unternehmen in der Praxis als Basis für eine standardisierte und systematische Ideenbewertung externer Innovationsimpulse dient. Das Entscheidungsinstrument, welches auf Basis wissenschaftlicher Kriterien und Konzepten beruht, wurde in der Praxis erprobt, sodass es inzwischen bei einigen teilnehmenden Unternehmen praktische Anwendung findet. Wie unten angeführt, wurde das Entscheidungsinstrument in Form eines direkt anwendbaren Excel Tools dokumentiert, was den Firmen eine einfache und zugleich flexible Anwendbarkeit in der Praxis ermöglicht.

Entscheidungsinstument für Open Innovation_Mission statement

Entscheidungsinstument Open innovation_Culture

Auszüge aus dem Entscheidungsinstrument für Open Innovation Projekte

Insgesamt besteht das Instrument aus 30 verschiedenen qualitativen Bewertungsindikatoren, welche nicht nur in gegenwärtiger wissenschaftlicher Literatur, sondern auch in der Praxis als relevant erachtet werden. Die jeweiligen Bewertungsindikatoren wurden im Rahmen eines Aktionsforschungsansatzes mittels Fokusgruppen-Workshops empirisch erprobt, wo nötig modifiziert und abschließend von allen teilnehmenden Unternehmen hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz individuell priorisiert. Hierbei wurde deutlich, dass eine Vereinbarkeit mit der Mission des Unternehmens, die Machbarkeit und Umsetzbarkeit der Idee, Sicherheits- sowie Gesundheitsthemen sowie auch einstrategischer Unternehmensfitbesonders entscheidend sind, wenn externe Innovationsideen und -impulse evaluiert werden sollen. Einzelne oder spezifische quantitative Kennzahlen werden von den Unternehmen jedoch in dieser frühen Phase des Innovationsprozesses noch als wenig relevant erachtet.

TTR: Warum ist das auch für die Tourismus Branche relevant?

Verena Wachter: Da die Tourismusbranche immer mehr mit individuellen und veränderlichen Kundenanforderungen und -erwartungen konfrontiert ist, stellt das Einbeziehen von Gästen in den Innovationsprozess besonders für diese Branche eine strategisch wertvolle Möglichkeit dar, diese Gästeanforderungen frühzeitig zu erkennen und in die Entwicklung und Umsetzung neuer Serviceleistungen einfließen zu lassen. Da besonders in dieser Branche ein ständiger aktiver Dialog mit den Gästen herrscht, sollten gerade diese Betriebe ihre bereits bestehenden Beziehungen nutzen, um ihre Innovationsprozesse zu öffnen und externe Ideenimpulse zu integrieren. Open Innovation Aktivitäten bieten besonders diesen Firmen eine einzigartige Möglichkeit, mit relativ geringem finanziellem Aufwand neue Serviceleistungen zu generieren, weiterzuentwickeln und am Markt umzusetzen. Ähnlich wie bei Produktideen gilt es allerdings auch hier die Ideenflut für neue Service- und Dienstleistungen systematisch entlang interner Vorgaben und strategischer Ziele sowie der Passfähigkeit zum eigenen Geschäftsmodell zu filtern und zu bewerten. Hier kann das oben angeführte multikriterielle Entscheidungsinstrument für Unternehmen wertvoll sein und ihnen als Unterstützung für weitere Entscheidungshandlungen in Bezug auf künftige Dienstleistungsinnovationen dienen.

Verena Wachter

Verena Wachter ist wissenschaftliche Assistentin im Bereich Wirtschaft & Management am MCI Management Center Innsbruck. Sie hat am MCI zuerst den Bachelorstudiengang Management & Recht absolviert und anschließend ihren Master im Studiengang „International Business & Management“berufsbegleitend abgeschlossen. Ihre Master-Abschlussarbeit hat sie zum Thema „Development of a Multicriteria Idea Assessment Tool in an Open Innovation Environment“ verfasst.

 

Headerbild: Photo by Štefan Štefančík on Unsplash