Ende Februar präsentierte die Österreich Werbung in ihrem digitalen Format "ÖW Global Talk" die aktuelle Situation des Tourismus in Österreich und stellte Forschungsergebnisse zu den Reiseaussichten im Sommer 2021 vor. Wir haben die wichtigsten Themen zusammengefasst.
"Urlaub in 2021 können und wollen sich viele leisten."
Trotz vieler Unsicherheiten ist die Lust auf Urlaub da und die Sehnsucht weiterhin ungebrochen. Das zeigen die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie mit dem NIT Institut für Tourismus- und Bäderforschung. In den Urlaubsplänen der Österreicher steht bei über der Hälfte (54%) Österreich als Urlaubsziel auf dem Plan, während es aus dem wichtigsten Quellmarkt, Deutschland, von 13% der Urlauber bereist werden möchte. Insbesondere die Monate August und - überraschenderweise - September 2021 werden von den Deutschen für mögliche Reisen ins Auge gefasst.
"Covid hat Österreichs Tourismus um rund 50 Jahre zurückgeworfen"
Petra Stolba (Geschäftsführung, ÖW) blickt auf die Entwicklung der Ankünfte und Nächtigungen: Während der weltweite Tourismus durch die Pandemie rund 30 Jahre zurückgeworden wurde, hat es Österreich noch stärker erwischt. Diese Krise habe den Tourismus getroffen wir nichts zuvor.
Die Zukunftsprognosen sind noch durchwachsen - viele Fragezeichen bestimmen die Entwicklung: der Pandemieverlauf, die EU-Regelungen zum Reisen, das weltweite Voranschreiten der Impfung. Für 2021 wird im besten Fall ein Halten der Zahlen von 2020 erwartet, man geht jedoch eher von einem weiteren Rückgang aus. Eine Normalisierung sei erst wieder mit der Rückkehr des Städtetourismus absehbar.
Doch zwei Aspekte lassen laut Petra Stolba Optimismus wachsen:
- Tourismus gehörte in den letzten Jahrzehnten zu den Wirtschaftsbereichen mit dem größten Wachstum.
- Jeder möchte Urlaub machen.
Sicherheit durch Information
Für Carmen Breuss (Region Managerin, DACH ÖW) ist klar, dass Österreich im Sommer in einen massiven Wettbewerb mit dem deutschen Inlandstourismus treten wird. Die wichtigsten Aspekte für Urlaubsbuchungen sieht sie in den folgenden:
Sicherheit/Vertrauen
- im Urlaubsland: Österreich darf von außen nicht mehr als Risikogebiet eingestuft werden - das Infekionsgeschehen muss verringert werden.
- durch Erfahrung: Der letzte Sommer hat gezeigt, dass Urlaub in Österreich gut möglich ist.
- durch Information: Die Erfahrungen des letzten Sommers sowie aktuelle Konzepte und deren Einhaltung müssen kommuniziert werdern.
- durch Planung: Insbesondere für Neugäste sind Informationen darüber, wie ein Urlaub in Österreich überhaupt aussehen kann (anstelle z.B. eines Strandurlaubs), besonders wichtig.
Flexibilität
- kurzfristige Buchungen: Wie schon im Sommer 2020 wird kurzfristiges Buchen möglich sein.
- Stornobedingungen: Anbieter sollten transparente Informationen zu Worst-Case-Szenarien bereitstellen.
Gewohntes Ranking der Ziele, aber eine Besonderheit
Die Sehnsucht nach Urlaub ist sowohl in Österreich als auch in Deutschland so hoch wie vor der Pandemie, das sieht auch Ulf Sonntag (Leiter Marktforschung, NIT) so. Sobald Reisen in vernünftigen Rahmenbedingungen möglich sei, werde die Nachfrage sofort wieder anspringen. Und dann sei so viel Information und Transparenz wie möglich gefragt - denn am liebsten reisen die Menschen so, wie sie es gewöhnt sind. Sie möchten wissen, ob Reisen überhaupt möglich ist. Das Ranking der beliebtesten Ziele sei gleich geblieben, wobei mit dem Auto erreichbare Ziele, an denen Distanz gewahrt werden kann, eindeutig nach oben gerückt sind. Die Menschen möchten dorthin reisen, wo sie sich wohl fühlen und hierfür nehmen sie auch gewisse Unannehmlichkeiten in Kauf, wenn diese kalkulierbar bleiben.
"So urlaubsreif wie noch nie zuvor"
Trotz der vielen Unsicherheiten und fehlenden Planbarkeit geht Heidi Tscharf (Bereichsleitung International Market Management, ÖW) davon aus, dass viele ihre Urlaube nachholen werden. Dies wird zum einen aufgrund der aktuell hohen Sparquoten angenommen. Zum anderen seien die Menschen noch nie so urlaubsreif gewesen wie momentan.
Wann können wir mit europäischen Gästen rechnen?
Wie im letzten Jahr werden das Inland und die Nahmärkte mit Deutschland als wichtigstem Markt für Österreich die größte Rolle spielen - natürlich in Abhängigkeit von Lockerungen. Ab dem 2./3. Quartal 2021 sei mit Gästen aus Deutschland zu rechnen. Heidi Tscharf gibt einen kurzen Überblick zu den Nahmärkten:
- Schweiz - Innerhalb des Landes ist Reisen aktuell möglich. Das Vorgehen dort ist sehr kontrolliert und diszipliniert. Abgesehen von einigen Hotspots ist die Wintersaison recht gut verlaufen. Man kann demnächst mit Gästen aus der Schweiz rechnen.
- Italien - Derzeit dürfen sich die Italiener nur in ihren eigenen Regionen bewegen (derzeit gelten die Maßnahmen bis 06.04.21), Skiegebiete sind zu, Lockerungen sind zu erwarten.
- Niederlande - Die Landesgrenzen bleiben für Reisen geschlossen, innerhalb wird es bald Öffnungen geben.
- Belgien - Mit dem Ziel bis zum Sommer 70% der Bevölkerung zu impfen, darf mit Gästen Ende des 2./3. Quartal 2021 gerechnet werden, besonders zum Winter.
- Tschechien - Aufgrund der aktuell besonders hohen Fallzahlen ist eine baldige Immunisierung der gesamten Bevölkerung nicht mehr auszuschließen.
- Ungarn - Der Ausnahmezustand im Land gilt derzeit bis 23.05.21.
Wie sieht es mit den Fernmärkten aus?
Viele Nachbarländer befinden sich derzeit noch im Lockdown - in den Fernmärkten sieht es ähnlich aus. Trotz einer höheren Durchimpfungsrate in Asien ist vor dem 4. Quartal 2021 nicht mit Gästen von dort zu rechnen, da die asiatischen Länder zum Schutz ihre Grenzen zunächst dicht halten möchten. Lediglich aus dem arabischen Raum dürte ab dem 2./3. Quartal 2021 mit Gästen zu rechnen sein. In den USA liegen die Inzidenzzahlen derzeit noch bei hohen kritischen Werten, sodass dort in naher Zukunft kein grenzübertretendes Reisen möglich sein wird.
Insgesamt sei vor allem ab dem 3. Quartal 2021 mit Gästen in Österreich zu rechnen. Zentrale Faktoren für das Reisegeschehen stellen die Dauer und Art der Anreise sowie die Impfstrategien und -geschwindigkeiten der einzelnen Länder, Einreise- und Quaratäneregelungen und letztlich die Corona-Maßnahmen in Österreich dar.
Kulinarik gewinnt an Stellenwert
Erich Neuhold (Geschäftsführer, Steiermark Tourismus) zeigt die wichtigsten Motive der Menschen beim Reisen auf: Kulinarik wird relevanter, außerdem Freiheit, in der Natur bewegen, mit der Familie außerhalb der eigenen vier Wände sein. Weiterhin betont er eine klare Kommunikation der Maßnahmen gegenüber den Gästen, denn diese (vor allem deutsche Gäste) wollen ein klares Bild davon haben, was sie am Urlaubsort erwartet und, dass die kommunizierten Regelungen auch eingehalten werden. Stakeholder müsssen hierzu kooperieren. Gerade in der Krise zeigt sich: Herausforderungen werden am besten gemeinsam gemeistert.
Und wie wird das Reisen dann aussehen?
Die Eintrittsvoraussetzungen in Einrichtungen werden derzeit diskutiert, das Vorlegen eines negativen Tests wird vermutlich nötig sein - es geht in Richtung Testpflicht, so Petra Stolba. Die Gäste werden sich von einer Testpflicht jedoch nicht abhalten lassen, weil ihre Sehnsucht nach den Erlebnissen überwiegt. Der Vorteil für Österreich: Durch das intensive Testregime hat das Testen hier schon eine gewisse Normalität erreicht. "Tests und Masken werden auch im Herbst und Winter noch bleiben."
Die ÖW-Offensiven für 2021
Florian Größwang (Bereichsleitung Partnermanagement, ÖW) zeigt schließlich das Potenzial der Krise auf: 36% der Österreicher und 28% der Deutschen, die vorhaben nach Österreich zu reisen, hätten eigentlich andere Reiseziele gehabt, wenn Corona nicht wäre. Diese Chance sollte zusätzlich zu Stammkundenbindung genutzt werden. Für die Branche wird Ende März 2021 wie im letzten Jahr gratis Info-Content auf der Website zur Verfügung gestellt.
Die Kampagnen bzw. Offensiven der Österrreich Werbung sind in Vorbereitung und stehen teils bereits in den Startlöchern. Neben der Sommer-Offensive in 8 Nahmärkten soll es auch die Offensive "Radfahren" in Deutschland, den Niederlanden und Tschechien geben. Zusätzlich wird der Städterourismus für internationale Märkte vorbereitet. Auch eine MICE Offensive für das Tagungsland Österreich sei geplant.
Alle Informationen zum ÖW Global Talk vom 25.02.2021 finden Sie hier.
Denise Fecker MSc
Denise Fecker hat ihren Bachelor in "Mehrsprachige Kommunikation" sowie den Master "Markt- und Medienforschung" an der TH Köln absolviert. Zudem hat sie praktische Erfahrung in einem Kölner Marktforschungsinstitut gesammelt und arbeitet nebenher als Skilehrerin.
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Beitrag vom 26.02.2021