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Mobilität: Teil 2

Mobilität vor Ort
Mobilität vor Ort
Nachdem uns Brigitte Hainzer in Teil 1 berichtet hat, wie man die PKW-freie Anreise nach Tirol forcieren kann, beschäftigt sich Teil 2 mit der Mobilität vor Ort.

Teil 1 des Interviews finden Sie hier.

TTR: Wie sieht die aktuelle Situation in Bezug auf Mobilität vor Ort aus?

Brigitte Hainzer: „Corona hat uns gezeigt, wie schön es vor unserer Haustüre ist.“ Diesen Satz habe ich im vergangenen Jahr sehr oft gehört. Und zwar häufig von Einheimischen, von denen wiederum viele VermieterInnen und GastgeberInnen sind. Man müsse gar nicht immer irgendwohin fahren, um die schönsten Plätze zu entdecken. Diese Erfahrung könnten wir doch auch mit unseren Gästen teilen!

Eine weitere erfreuliche Entwicklung in Sachen Mobilität: Die Menschen möchten wieder aktiver werden, mehr zu Fuß gehen, mehr Radfahren. Nutzen wir dies als Chance, bei Empfehlungen für Aktivitäten vor Ort nicht als erstes an die Nutzung von Bahn und Bus zu denken, sondern die „aktive Mobilität“ in den Vordergrund zu stellen!

Natürlich bedeutet Mobilität vor Ort aber auch das Angebot von öffentlichen Verkehrsmitteln, Ski-, Wander- oder Sightseeingbussen, Hüttentaxis, Taxis, Auto- und Radverleih uvm. Hier sind die Tiroler Tourismusverbände landauf landab sehr engagiert, den Gästen ein attraktives Angebot zu finanzieren. Ebenso bemühen sie sich darum, die Mobilitätsangebote in der Gästekarte zu inkludieren und so für den Gast einfach und unkompliziert nutzbar zu machen. Allerdings ist die Situation hinsichtlich des Angebotes an öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus und Bahn) sehr heterogen und abhängig von der Lage und Siedlungsstruktur, aber auch von Tages- und Saisonzeiten.

TTR: Was sind dabei die Herausforderungen?

Brigitte Hainzer: Ich sehe die Herausforderungen hier in erster Linie in unseren eigenen Köpfen. Unsere Alltagswege und –erledigungen wollen wir möglichst rasch und effizient erledigen, wofür am Land das Auto unverzichtbar ist. Auch die meisten Gastronomie- und HotelmitarbeiterInnen benötigen einen fahrbahren Untersatz, da zu ihren Arbeitszeiten keine öffentlichen Verkehrsmittel verkehren. Da heißt es erstmal umdenken, wenn man Gäste berät. Der Gast ist im Urlaub, er hat Zeit, er ist bereit, Neues auszuprobieren, er möchte die Gegend entdecken.

„Ich sage jetzt nicht mehr: „Da musst Du 15 Minuten zu Fuß gehen“, sondern: „Da bist Du in nur 15 Minuten dort….“ lautet das Fazit einer TVB Mitarbeiterin, die im Urlaub von ihrem Gastgeber an der Bushaltestelle abgeholt und zu Fuß zum Quartier begleitet wurde. Dabei hat er ihr auch noch gleich Infos zur Örtlichkeit gegeben.

Damit Gäste vor Ort mobil sind, braucht es aber natürlich auch ein entsprechendes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, das auf die Bedürfnisse der Gäste abgestimmt ist. Das kann von Region zu Region unterschiedlich sein: da möchte der Gast frühmorgens zu einer Hochtour aufbrechen, dort gemütlich nach dem Frühstück zum Langlaufen gehen. Ferienwohnungsgäste müssen ihre Einkäufe erledigen und manch einer möchte abends in einem Gasthaus essen. Die gibt es mittlerweile häufig auch nicht mehr in fußläufiger Entfernung. Hier braucht es entsprechende Verbindungen, auch an Tagesrandzeiten oder Wochenenden, an denen zu den Übernachtungsgästen auch viele Tagesgäste unterwegs sind.

Derzeit wird Mobilität noch in vielen verschiedenen Schubladen gedacht und beauftragt. Angebote sind deshalb häufig nur für Segmente nutzbar wie Anrufsammeltaxis für BewohnerInnen einer Gemeinde oder Skibusse nur in Skibekleidung. Mobilitätsbedürfnisse über alle Interessen hin zu erfassen und Angebote zu schnüren, die von allen nutzbar sind wäre in meinen Augen ein wesentlicher Schritt zu einem attraktiven Angebot. Zudem müsste öffentlicher Verkehr mit privaten AnbieterInnen verknüpft, transparent dargestellt und im Idealfall im Idealfall buchbar sein.

TTR: Welche Lösungsansätze gibt es hier?

Brigitte Hainzer: Die Tiroler Tourismusverbände engagieren sich sehr, was das Angebot an öffentlichen Verkehrmitteln betrifft und ergänzen dies durch Ski-, Wander- oder Sightseeingbusse oder Hüttentaxis. Die Infos sind entsprechend gut aufbereitet und ergänzt mit weiteren Angeboten zur Vor-Ort Mobilität wie Auto- oder Radverleih. Diese Informationen können von Gastgebern als Links oder Widgets auf ihren Webseiten eingebunden werden. Auch stehen überall gedruckte Infos zur Beratung vor Ort zur Verfügung.

Der TVB Osttirol hat mit Unterstützung des Regionalmanagements Osttirol alle Mobilitätsangebote kompakt auf einer Landingpage zusammengestellt. Sie ist in deutscher, englischer und italienischer Sprache online und kann als Link von den Beherbergungsbetrieben einfach eingebaut werden, z.B. in der Angebotserstellung. Es gibt auch schon gute Ansätze, die „aktive Mobilität“ in den Vordergrund zu stellen und den Gästen Tipps geben, was sie direkt von der Haustüre aus alles entdecken können. Zu Fuß, mit dem Rad, mit Schneeschuhen, Langlaufskiern, Rodeln,….

Ein Ansatz, das Angebot der Mobilität zu erweitern sind on Demand Verkehre, also „auf Nachfrage“ oder „auf Abruf“. Der VVT schließt aktuell mit RegioFlink zeitliche und räumliche Lücken - besonders der ersten und letzten Meile. Regioflink wird gerade in Wattens getestet: die Fahrt kann per App oder per Telefon gebucht werden, man wird an einem günstig gelegenen virtuellen Haltepunkt nahe dem Startort abgeholt und zu einem Haltepunkt nahe dem Zielort gebracht.

Praktische Tipps und Infos, worauf es bei der Zusammenstellung ankommt, liefert das sogenannte Mobilitätscoaching der Tirol Werbung. Hier werden Informationen zusammengetragen und aufbereitet und die Tiroler Tourismusverbände dabei unterstützt, wie sie Gäste zu einer pkw-freien Anreise informieren und inspirieren können.

Brigitte Hainzer

Brigitte Hainzer, Tourismusberatung, Mobilitätscoach im Auftrag der Tirol Werbung

Brigitte Hainzer ist selbständige Unternehmensberaterin für Kommunikation & Werbung im Tourismus. Sie berät Tourismusorganisationen im alpinen Raum, darunter die Tirol Werbung, SalzburgerLand Tourismus, IDM Südtirol, Bayern Tourismus Marketing oder Allgäu Tourismus. 

Nach ihrem Abschluss am Tourismuskolleg Innsbruck sammelte sie zahlreiche Erfahrungen in der Freizeit-, Kultur- und Sportbranche. In den letzten Jahren widmet sie sich auch verstärkt den Themen Mobilität, Gesundheit, Wellness und Natur. 

 

Datum: 31.01.2023

Titelbild von Mediocre Studio auf Unsplash