Direkt zum Inhalt

E-Bikes

Über ein steigendes Marktsegment des österreichischen Fahrradhandels und dessen touristisches Potenzial
E-Bike Stevens
Gemeinsam mit der ARGE Fahrrad diskutierte das TTR Team über das wachsende Segment E-Bike und wie dieses auch touristisch genutzt werden kann bzw. wo dies bereits passiert.

TTR: Wie hat sich der Fahrradmarkt in Österreich bzw. Europa in den letzten Jahren entwickelt? 

ARGE Fahrrad: 2018 war eines der erfolgreichsten Jahre. Es wurden 457.000 Fahrräder in Österreich verkauft. Dabei ist zu beobachten, dass besonders das E-Bike Segment immer stärker wächst und bereits einen Anteil von 33% erreicht hat. 2018 wurden so etwa 150.000 E-Bikes in Österreich verkauft, darunter 80.000 Stück E-Bikes mit STVO Ausstattung und 63.000 E-Mountainbikes. Neben E-Citybikes und E-Mountainbikes wächst auch der Bereich der E-Lasten- oder Falträder immer stärker an - wenn auch noch auf geringerem Niveau. Der Anteil der nicht-motorunterstützen Mountainbikes verliert hingegen laufend an Anteil. Lag der Anteil 2015 noch bei 34%, so machten diese 2017 nur noch ein Viertel aller verkauften Fahrrädern aus. Der Rest entfällt auf Crossbikes, Citybikes, Lasten- und Falträder sowie Rennräder. Damit ist heute bereits jedes 3. Fahrrad ein E-Bike. Die höheren Durchschnittspreis von E-Bikes stellen dementsprechend auch einen Umsatztreiber für den Fahrradhandel dar.

Im europäischen Vergleich ist Österreich einer der stärksten E-Bike Märkte. In Belgien liegt der Anteil von E-Bikes bei 45% gefolgt von den Niederlanden mit 40%. Hinter Österreich liegt die Schweiz mit 32% sowie Deutschland mit 24%.

TTR: Wie charakterisiert sich der typische E-Biker am Berg?

ARGE Fahrrad: Das E-Bike als Seniorenfahrzeug haben wir schon lange hinter uns gelassen. Allerdings gilt es generell am Berg zwischen zwei Typen von E-Bikern zu unterscheiden. Während der Genuss-E-Biker die Motorisierung dazu nützt, mehr Höhenmeter zu schaffen und damit an Orte zu gelangen, an die er aus eigener Kraft nicht kommen würde, sieht der sportliche E-Biker ganz anders aus. Früher waren vielleicht 80% der E-Biker Genuss-Biker, hingegen waren die E-Mountainbiker noch in der Unterzahl. Wenn man sich nun allerdings die Absatzzahlen ansieht, so erkennt man ganz klar einen Trend hin zum sportlichen E-Biker. Er nutzt unter Umständen auch die Bergbahn, um die ersten 1.000-1.500 Höhenmeter zurück zu legen und erweitert durch die Motorisierung seinen Aktionsradius erheblich. Hier geht es um Gelände, darum schnell und zügig mit der Unterstützung der Muskelkraft - oder eben der Bergbahn - in die Höhe zu kommen und der Spaß folgt anschließend bei der Abfahrt. Während man den Genuss-E-Biker vielleicht mehr in Kitzbühel findet, ist der sportliche E-Bike Freak z.B. eher in Saalbach vorzufinden. Ein weiteres Einsatzgebiet für E-Bikes ist zudem - neben dem täglichen Verkehrsmittel und damit Ersatz für Auto, Roller oder Öffis - auch das Phänomen Bike & Hike. Hier wird das E-Bike dazu genutzt, die ansonsten recht langen Anreise-Wege zu verkürzen und so schneller Höhenmeter und Kilometer hinter sich zu bringen, um dann noch eine Bergbesteigung oder einen Klettersteig zu machen.

Die wachsende Zahl der verkauften e-MTB bedeutet nicht, dass es zwangsläufig mehr Leute in den Trails und eine "Massenschwemme" oberhalb von 2.000 Metern in sensibler Natur geben wird. Ein starker Trend geht zum Alm-Biker, der bis zur ersten/zweiten Alm auf 1.500 Metern fährt und dort die Gastronomie nutz. Weiter höher fahren eher nur diejenigen, die bis vor kurzem auch mit dem normalen, nicht motorisierten Mountainbike dort waren. Das heißt es wird keine Bedrohung durch eine Masse an E-Mountainbikern geben. Es ist vielmehr positiv zu sehen, da zahlungskräftige E-Biker am Berg sein werden, für die eine passende, sichere Infrastruktur geschaffen werden muss.

TTR: Was macht eine erfolgreiche E-Bike Destination aus?

ARGE Fahrrad: Auf alle Fälle muss eine erfolgreiche E-Bike Destination mehr als nur eine Steckdose bieten. Es geht hier um weitreichende Investitionen und um ein Gesamtpaket für den Kunden, angefangen vom Tourismusverband, der die Information an die richtige Zielgruppe bringt, der Bergbahn, die den Bikepark betreibt, der Unterkunft, die sich auf den Biker und seine speziellen Bedürfnisse einstellt, dem Sportartikelhändler, der die Beratungs- und Verleihkompetenz mitbringt bis hin zur Gastronomie. Sprich es muss sich nicht nur der Verband und das Hotel, sondern auch das Cafe im Ort, oder der Wirt am Berg auf den Gast einstellen, der dann eine Steckdose zum Aufladen der Batterie inkl. Kabel anbietet. Richtige Ladestationen werden dabei häufig überbewertet und sind zudem sehr teuer. Steckdosen reichen häufig aus. Zudem muss in der Region selbst das Bewußtsein geschaffen werden, dass das E-Bike-Segment nicht andere Gäste verdrängt. Vielmehr muss dieses richtig kanalisiert werden, indem kommuniziert wird, welche E-Bike-tauglichen Strecken es in der Region in welcher Schwierigkeitsstufe gibt; ähnlich wie dies bei den Pisten der Fall ist, muss es hier blaue Strecken für Anfänger und schwarze für die Freaks geben. Häufig ist es nicht die Infrastruktur wie Ladestationen, die kostspielig ist für die Region, sondern das saubere Kanalisieren, um hier Nutzerkonflike zwischen Wanderern, Bikern, E-Bikern, dem Alpenverein oder Jägern vorzubeugen.

TTR: Wer ist im Bereich (E-)Bike Vorreiter bei den Destinationen?

ARGE Fahrrad: Tirol ist vielen anderen meilenweit voraus. Die e-BikeWelt Kitzbüheler-Alpen - Kaisergebirge verbindet 7 Tourismusregionen und 37 Gemeinden und  bietet hier das größte zusammenhängende E-Bike Streckennetz mit über 1.000 km Radwegen, 89 Verleihpartnern und 77 Akku-Wechselstationen. Während der Osten Österreichs automatisch lieblicher und sanfter ist und eher Genuss- oder Trekking-Biker anzieht, bietet der Westen klarerweise mehr - aber nicht nur- für den sportlichen E-Biker. So gibt es zum Beispiel in Kärnten in er nock/bike-Region Bad Kleinkirchheim  "Radtouren ohne Tortur", bei denen der Genuss-Biker seinen Atem für die atemberaubenden Ausblicke aufsparen soll. Aber auch für sportliche Biker hat der Osten einiges zu bieten, wie die Wexl Trails in St. Corona am Wechsel (Semmering). Hier werden neben dem Bikepark in den Schwierigkeiten leicht (blau) bis mittel (rot) und Kids Lines (grün) angeboten sowie Alm- bzw. Panorama Trails. Und während man in Tirol die Strecke mit der Bergbahn abkürzen kann, ist dies am Weissensee in Kärnten mit der Schifffahrt möglich. "Bike & Boot" heißt hier das Angebot, wo direkt vom Badesee 13 MTB-Strecken mit einer Gesamtlänge von 160km in allen Schwierigkeitsgraden geboten werden, so auch Downhill-Strecken für die ganze Familie. In Vorarlberg gibt es zudem die Region Kristberg Montafon mit dem Silbertal, welche ein umfangreiches Netz an E-Bike Stationen sowie ein Verleihnetz aufgebaut hat.

Zudem bestehen einige intensive und weitreichende Kooperationen zwischen dem Handel und touristischen Destinationen. So gibt es beispielsweise das Test Center Saalbach-Hinterglemm - Bike 'N Soul, wo eine Vielzahl an Rotwild Testbikes ausprobiert werden können. Die Kooperation inkludiert auch Incentives und gemeinsame Werbung. Kooperationen gibt es aber auch auf Hotelebene, wie in Leogang mit dem mama thresl oder in Hinterglemm mit dem Designhotel Wiesergut.

TTR: Wohin geht der Trend?

ARGE Fahrrad: Derzeit liegt der Anteil des E-Bikes am gesamten Bike-Markt in Österreich bei einem Drittel. Dieser könnte sich bis 2030 allerdings verdoppeln und einen Wert von bis zu 50-60% Anteil ausmachen. Der MTB Touring Bereich wird zu 100% motorisiert sein. Ebenso wird sich der Radverkehrsanteil als Alternative zum Auto oder Öffi verstärken. So soll auch laut Klimaziel der Radverkehr in Österreich bis 2025 verdoppelt werden, speziell im urbanen Bereich. Ebenso wird sich der Bereich ecargo (sprich Transport- und Lastenrädern) für den urbanen Bereich, der momentan noch eher eine Nische darstellt, von derzeit 7% verdoppeln. Last kann dabei entweder Sachmaterial, oder auch Humankapital sein, sprich ich bringe die Kinder sicher und bequem im Fahrrad zum Kindergarten. Somit werden alle Einsatzbereiche des Fahrrades immer stärker motorisiert und der Einsatzbereich für E-Bikes immer vielfältiger, besonders auch im urbanen Bereich.

Der Trend geht auch weiterhin ganz klar in Richtung Individualisierung und Personalisierung. Egal um welche Art des Fahrrades es sich handelt, es darf kein Rad von der Stange sein, sondern es muss auf die jeweilige Person angepasst werden. Dabei muss beantwortet werden, welche Bedürfnisse die Person hat, wie sie fährt und wie ihre Proportionen aussehen. Die Vermessung erfolgt dabei per 3D Bodyscanning, um für jeden das perfekte Fahrrad zu konfigurieren. So gibt es inzwischen auch Carbon E-Bikes mit einem Gewicht von unter 20kg, faltbare E-Bikes, ecargo Fahrräder mit einer Zuladung von bis zu 100kg oder Fahrradanhänger für Kinder und Hunde, die dank des E-Bikes einfacher zu ziehen sind. Es ist außerdem ein starker Trend in Richtung E-SUV-Bikes (E-Mountainbikes mit Kotblech und Gepäckträger) zum Tourenfahren zu beobachten.

Auch das Fahrrad-Zubehör und die Sicherheit entwickeln sich immer weiter. So gibt es inzwischen beispielsweise Fahrradhelme mit integriertem LEDs an der Vorder- und Rückseite inklusive Blinker, der über eine drahtlose Fernbedienung aktiviert werden kann. Fahrtechnik-Training wird ebenfalls immer bedeutender.

Produktion KTM

Die ARGE-Fahrrad ist als „Stimme“ der heimischen Fahrradindustrie eine bedeutende Kommunikations- und Informationsplattform sowohl zum Handel als auch zum Konsumenten selbst. Zur ARGE Fahrrad zählen die Firmen Bike & Sports Handels GmbH, Bike-Tech AT GmbH, Bosch GmbH-eBike Systems, Cycling Sports Group, Derby Cycle Werke GmbH, Faber GmbH, Funbike GmbH, Gazelle N.V., Giant Österreich, Hercules GmbH, Kettler Alu Rad, KTM Fahrrad GmbH, Sail + Surf GmbH, Scott Sports AG, Simplon Fahrrad GmbH, Thalinger Lange GmbH, Winora Staiger GmbH und seit 2018 Riese & Müller GmbH. Die ARGE Fahrrad agiert seit Anfang 2014 unter dem Dach des VSSÖ – Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs.

Gemeinsam mit dem TTR Team diskutierten:

  • Michael Nendwich (VSSÖ) 
  • Hans-Jürgen Schoder (Thalinger Lange) 
  • Norbert Katsch (Funbike) 
  • Markus Schleszies (Bosch) 

Fotocredit: Stevens & KTM